Auch keine Tränen aus Kristall
herzförmige Kopf war etwas zur Seite gelegt. Cremeweiße Federantennen bewegten sich leicht und erfüllten ihn mit den eigenartigsten Empfindungen. Das waren Gerüche: voll, dunkel, würzig, leuchtend, Vanille. Die Gerüche seiner metamorphosierten Freunde, die Gerüche des Postkokonraumes. Er wusste, dass er nicht ein paar Minuten oder Sekunden geschlafen hatte, sondern mehr als ein halbes Jahr; dass sein Körper sich verändert hatte, gereift war, sich aus einem schwabbeligen, kaum bewussten weißen Ding in einen herrlich stromlinienförmigen Erwachsenen verwandelt hatte.
Er versuchte seine Beine an sich heranzuziehen und fand zu beiden Seiten Hände, die ihm beim Aufstehen behilflich waren.
»Ganz ruhig ... nicht übereilen!« sagte ihm eine Stimme.
Als er schließlich aufrecht stand, drehte er sich zur Seite und entdeckte ein breites Fenster. Auf der anderen Seite stand eine Schar erregter reifer Thranx. Ryo erkannte die Markierungen von zweien: seinem Erzeuger und dessen Dame.
Das waren nicht länger freundliche, graue Gestalten. Jetzt war da Farbe! Offensichtlich erkannten sie ihn, denn sie machten grüßende Bewegungen. Er erwiderte sie und erkannte, dass er jetzt über die Mittel dazu verfügte.
Die Hände ließen ihn los. Er stand jetzt für sich da, auf allen vieren, den Leib hinter sich ausgestreckt. Thorax und B-Thorax nach oben geneigt, mit dem Kopf darüber. Er sah sich über die Schultern um, blickte an seinem Körper hinab und sah dann zu Boden. Vorsichtig trat er von dem weichen Polster auf den härteren Ring außerhalb. Dann ging er mit prüfenden Schritten langsam im Kreise.
»Sehr gut, Ryozenzuzex.« Das war die Stimme des Arztes, der seine Herauskunft überwacht hatte. »Ganz langsam! Der Körper weiß selbst, was er zu tun hat.«
Rings um Ryo holten seine Gefährten probeweise tief Luft, säuberten ihre Augen, erprobten Beine und Finger, und Frauen wackelten mit ihren leuchtenden Legestacheln, streckten sie aus und zogen sie wieder ein.
Ich kann gehen, dachte er entzückt. Ich kann Farben sehen. Er nahm den Druck der Luft rings um sich wahr, und sein Gehirn sortierte aus, was das zu bedeuten hatte. Ich kann fazzen und riechen, und ich kann immer noch hören. Er dankte denen, die ihm geholfen hatten, und staunte darüber, wie klar seine Sprache war; scharfes Klicken, herrlich modulierte Pfiffe - all die Feinheiten von Niederthranx. Jahre des Studiums zahlten sich jetzt aus.
Auch darüber staunte er, dass seine vier Kiefer sich elegant gegeneinander bewegten, während er Geräusche schieren Vergnügens von sich gab. Nur eines belastete sein Glück: sein Körper war vollkommen, aber seine Zukunft war das nicht, denn er hatte immer noch nicht die leiseste Ahnung, was er eigentlich mit sich selbst anfangen wollte.
Schließlich geriet er irgendwie in die Agrikultur, weil es ihm Freude bereitete, endlich nach oben gehen zu können, und ganz im Gegensatz zu seinen höchst geselligen Mitbürgern bereitete es ihm Vergnügen, außerhalb der Stadt zu arbeiten.
Er ertränkte seine persönliche Unsicherheit und seine Verwirrung in Arbeit. Von seinem Clan angetrieben, nahm er sich eine intelligente und energische Frau namens Falmiensazex als Vorgefährtin. Langsam entwickelte sich sein Leben zu einer behaglichen, vertrauten Routine. Sein Clan und seine Familie hörten auf, sich über ihn Sorgen zu machen, und die alte, nagende Unschlüssigkeit verblasste immer mehr, bis sie fast ganz vergessen war.
ZWEI
Es war Halbtag des Malmrep, der dritten der fünf Jahreszeiten von Willow-wane, und die Zeit des Hochsommers. Das Wetter war reich an Feuchtigkeit, und die Hitze lag in der Luft.
Ryo las die Konsole ab. Zwei Assistenten begleiteten ihn auf seiner Expedition in den Dschungel. Sie sollten prüfen, ob es dort eine Möglichkeit gab, zweitausend Bexamin-Lianen zu pflanzen.
Er hatte lange und geduldig mit dem lokalen Rat von Inmot verhandelt, der es vorgezogen hätte, das neu entwässerte und gerodete Land mit Ji-Büschen zu bepflanzen. Ryo bestand darauf, dass eine größere Vielfalt wünschenswert sei und dass Bexamin- Lianen, die kleine, harte, ockerfarbene Beeren produzierten, sich am besten für die Pflanzung eigneten.
Die Beerenfrucht war wertlos, aber sie enthielt einen Kern, den man zermahlen und mit Wasser und einem Proteinzusatz vermischen und zur Herstellung eines wunderbar süßen Sirups benutzen konnte, der fast genauso nahrhaft war, wie er schmeckte. Aber die fünfzehn Meter langen
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