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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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saß er neben mir, während ich den meinen trank. Dann besprachen wir die eingegangene Post.
    Mr. Lows Röntgenaufnahme zeigte einen Schatten an der rechten Lunge. Mrs. Gibbons Magenschleimhautentzündung hatte sich gebessert, und das Ergebnis der Blutuntersuchung war normal.
    »Familie Thomas kommt en masse zur Impfung«, sagte Robin. »Haben wir genug Serum?«
    »Die Leute scheinen alle in die Tropen zu reisen«, sagte ich. »Und was ist eigentlich mit dir los?«
    »Du kannst dich glücklich schätzen, mich hier zu sehen«, erwiderte Robin. »Ich war gestern richtig krank. Ich befürchtete, eine akute Gelbsucht zu bekommen.«
    »Wo warst du Samstag abend?«
    »Bei den Brookways. Sie gaben eine Party in ihrem Haus am Fluß.«
    »Akute Gelbsucht, sagtest du?«
    »Ich dachte, ich muß sterben. Ich hätte dich beinahe angerufen.«
    »Ich war selbst ziemlich elend dran.«
    »Was hattest du denn?«
    »Ich weiß nicht genau, was es war; Schmerzen in der Stirn und Doppelsichtigkeit. «
    »Du siehst nicht besonders gut aus.«
    »Du auch nicht.«
    Das Telefon läutete, und Robin murmelte etwas in den Apparat. Dann kritzelte er eine unleserliche Notiz auf die Times.
    Ich schielte darauf. »Smith junior verletzt am Arm beim Ludospiel.«
    »Judo!« grunzte Robin. »Hör auf, dumme Witze zu machen.«
    Miss Nisbet, eine Blondine mit Kindergesicht, welche seit ihrer Schulentlassung unsere Sekretärin war, hatte vierzehn Tage vor Weihnachten geheiratet.
    »Nun«, sagte ich in herzlichem Ton, als ich ihr die Morgenpost zur Ablage überreichte, nachdem sie den Rückstand von einigen hundert Briefen bearbeitet hatte, die sich während ihrer Hochzeitsreise nach Jersey angesammelt hatten, »wie fühlen Sie sich als verheiratete Frau?«
    Sie schlug die beringte Hand an den Kopf. »Bitte, sprechen Sie nicht so laut, Doktor!«
    »Sie etwa auch?« fragte ich. »Wo waren Sie am Samstag?«
    »Party«, flüsterte sie. »Einstandsparty.«
    Flüsternd sandten wir uns Botschaften zu. Robin, Miss Nisbet und ich verbrachten einen Montag, der ruhiger war als gewöhnlich. Die Patienten befanden sich zum größten Teil in guter Form. Viele von ihnen wünschten mir ein gutes neues Jahr, einige bestanden darauf, mir die Hand zu schütteln, worauf ich gern verzichtet hätte. Mr. Whitfield, immer das Leben selbst und die Seele jeder Party, kam mit Tränensäcken unter den Augen und fragte mich scherzhaft nach einem Totenschein.
    »Wo ist der Umschlag zu Ihrer Untersuchungskarte?«
    Miss Nisbet hatte den Auftrag, jedem Patienten den Umschlag auszuhändigen, ehe er zu mir ins Sprechzimmer kam.
    Ich nahm mir vor, im neuen Jahr Schlamperei nicht zu tolerieren und telefonierte zu Miss Nisbet hinüber.
    »Mr. Whitfields Karteiumschlag, bitte!«
    »Ich habe Sie doch gebeten, leise zu sprechen, Doktor.«
    »Gut also, wo ist er?« flüsterte ich drohend zurück.
    »Tut mir leid, Doktor, ich konnte ihn nicht herausholen.«
    »Weshalb nicht?«
    »Zwischen den Umschlägen sitzt eine Spinne.«
    Ich impfte die Familien Francis und Thomas und verhielt mich den restlichen Patienten gegenüber so passiv wie nur möglich. Miss Chalker, die über Weihnachten auf einer Kreuzfahrt zu den Kanarischen Inseln gewesen war und die meinen Vorrat an Socken und Taschentüchern immer wieder auffüllte, kam mit einem Päckchen herein.
    Es war ein Schlips, senfgelbe Wolle, für sonntags wohl gerade das Richtige.
    »Zu Ihrem grüngemusterten Hemd«, sagte Miss Chalker. Sie mußte es wissen. Sie hatte das Hemd gekauft.
    Es waren kaum noch Patienten gekommen. Als ich Miss Nisbet etwas fragte, sagte sie: »,Mrs. Bottomley.«
    Ich trug den Namen in meine Besucherliste ein. »Eine neue Patientin? Welche Adresse?«
    »Mrs. Bottomley bin ich.«
    »Nun, und was ist mit Ihnen?«
    »Mit mir? Gar nichts.«
    »Weswegen muß ich Sie dann in meine Besucherliste eintragen?«
    »Es handelt sich nicht um einen Besuch. Es handelt sich um meinen Namen... «
    »Bitte, Miss Nisbet, bitte! Ich bin nicht in der Stimmung... «
    »Mrs. Bottomley, Doktor!«
    Der Groschen fiel.
    »Wissen Sie, Miss Nisbet, hm, Mrs. Bottomley meine ich, es ist ein hübscher Name, wirklich, ein schöner Name, nicht wahr, Robin?« - Robin saß auf seinem Schreibtisch, die Augen geschlossen und einen Ausdruck des Überdrusses auf seinem Gesicht -, »aber könnten wir nicht bei Miss Nisbet bleiben? Es ist so viel, hm, so viel kürzer, nicht wahr, Robin?«
    Er öffnete seine Augen. »Oh, ja, viel, viel, viel kürzer.«
    »In Ordnung

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