Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
ausschließlich an mir, an Bushido. Wenn ich, Anis Mohamed Ferchichi, heute nicht Bushido wäre, dann würde die Verwandtschaft meiner Mutter immer noch nichts mit uns zu tun haben wollen.
Mit zwanzig ist meine Mutter dann weg. Sie hat es einfach nicht mehr ausgehalten. Auf dem Arbeitsamt haben sie ihr eine Stelle in München vermittelt, aber als sie dann mit gepacktem Koffer auf dem Bahnsteig stand, sind sämtliche Züge nach München ausgefallen. Es war kalt, es hat geschneit, es gab Sturm und die Züge nach München kamen nicht, hatten Verspätung, fuhren einfach nicht. Aber zurück konnte sie nicht. Den Gefallen wollte sie ihrer Mutter nicht tun. Das triumphierende Gesicht. Den Spott in der Stimme: »Na, habe ich es dir nicht gleich gesagt. Weit kommst du eh nicht. Nicht mal wegfahren kannst du. Nicht einmal das schaffst du!« Diese Genugtuung wollte sie ihrer Mutter nicht gönnen und so hat sie dann nach Stunden der Warterei einfach den nächstbesten Zug genommen, der gefahren ist. Und der ging nach Bonn. Meine Mutter ist einfach eingestiegen und losgefahren. Sie wollte nur weg.
Angekommen in Bonn, hatte sie keine Ahnung, was sie machen sollte. Sie kannte ja niemanden, Arbeit hatte sie auch nicht. Mit einem Koffer in der Hand hat ihr neues Leben angefangen. Ohne Plan, ohne Kohle, ohne irgendetwas.
Meine Mutter ist dann bei Hertie untergekommen, wieder zum Arbeitsamt zu gehen hat sie sich nicht getraut. Sie hatte ja diesen Job in München vermittelt bekommen, und weil sie dort nicht aufgetaucht war, vermutete sie, dass sie auf dem Amt deswegen Ärger bekommt. Das ist natürlich vollkommen absurd, aber meine Mutter gehört einfach zu den Menschen, die Angst vor Behörden haben. Das ist heute noch so, ich muss sie da immer noch unterstützen mit dem ganzen Papierkram. Deswegen hat sie auch nie Sozialhilfe beantragt oder sonstige Unterstützung bezogen. Sie wollte einfach nie was mit den Ämtern zu tun haben.
Bei Hertie haben sie für das Kaufhausrestaurant eine Spülkraft in der Küche gesucht, und da meine Mutter nie faul und zu jeder Arbeit bereit war, konnte sie dort anfangen. Als der Koch vom Restaurant krank wurde, hat meine Mutter dann als Küchenhilfe gearbeitet, und irgendwann hat sie sogar die kleine Gastronomie in diesem Hertie zugeteilt bekommen. Dort hat sie dann meinen Vater kennengelernt.
Mein Vater hat damals beim tunesischen Konsulat gearbeitet und kam immer mit Anzug und Krawatte. Meine Mutter hat schnell gemerkt, dass er sie gern gesehen hat und nur ihretwegen in das Restaurant kam, aber irgendwann hat sie die Schnauze von der Gastronomie voll gehabt und hat sich gegenüber von Hertie in einem Spielwarenladen beworben. Schließlich war sie gelernte Kindergärtnerin, hatte Ahnung von den Spielen und den Spielsachen und konnte so die Leute ganz gut beraten. Da wurde sie auch sofort genommen und mein Vater ist immer noch gekommen, um sie zu sehen, diesmal in die Spielwarenhandlung, und irgendwann sind sie dann zum ersten Mal in eine Eisdiele gegangen. Er saß da, meine Mutter dort und sie hat ihm gleich erklärt, dass er seine Cola selbst bezahlen solle und sie ihre Cola auch selbst bezahlen würde, dann wäre er ihr zu nichts verpflichtet und sie ihm eben auch nicht. Mein Vater hat meine Mutter sehr geliebt, und auch wenn sie sich am Anfang recht unnahbar gezeigt hat, waren sie schließlich doch ein Paar und lebten sogar zusammen. Sie hatten eine kleine 1,5-Zimmer-Wohnung. Mein Vater war Sekretär des tunesischen Konsuls, also ein leitender Beamter, und als die Botschaft irgendwann rausbekam, dass er mit einer Deutschen zusammen war, war das ein Problem für die, denn meine Mutter hätte ja eine Spionin sein können. Deshalb haben sie meine Mutter vorgeladen, ausgefragt und durchleuchtet. Irgendwann meinten die dann, dass ein Zusammenleben in wilder Ehe nicht in Ordnung sei und dass die beiden heiraten müssten. Meine Mutter wollte das eigentlich gar nicht, hat aber schließlich eingewilligt und wahrscheinlich war es auch das Beste so, denn ansonsten wäre ich nicht hier, was schon ein bisschen schade wäre.
Mein Vater wurde dann allerdings schnell herrschsüchtig, er wollte meine Mutter unterbuttern und sie in die Schranken weisen. Er hat ihr verboten auszugehen und wollte auch, dass sie aufhört zu arbeiten. Das hat sie sich aber nicht gefallen lassen. Sie meinte nur: »Freundchen, ich war früher von meinen Eltern abhängig und jetzt willst du mich abhängig machen. Vergiss es.«
Mit ihrer
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