Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Unternehmen nur sehr wenig Frauen anzutreffen sind. Die eigenen Frauen unten zu halten, aber dann auf Kopftuchmädchen zu zeigen ist mit Sicherheit eine kluge Strategie, um von den eigenen Versäumnissen abzulenken.
Nichtsdestotrotz ist die Rolle der Frau in der islamischen Gesellschaft und innerhalb der einzelnen orientalischen Kulturen sowie in der Familie schwierig und ich will gar nicht bestreiten, dass es die unterschiedlichsten Probleme gibt, auch wenn diese im Alltag meist anders gelebt und viel praktischer gelöst werden, als es die Boulevardpresse gerne darzustellen versucht. Vor allem müssen wir sehr genau unterscheiden, was tatsächlich religiös begründet ist und was wiederum nur auf Tradition beruht.
Wenn ich mich zum Beispiel in der Familie meines Freundes Hassan umschaue, dann bietet sich mir ein etwas anderes Bild. Hassans älteste Schwester ist mit ihren acht Kindern wahrscheinlich genau das, was in der deutschen Öffentlichkeit gerne als »kopftuchtragende Gebärmaschine« bezeichnet wird. Dass diese Bezeichnung weder ihrem Wesen noch ihr als Mensch gerecht wird, dass es sie in höchstem Maße beleidigt und ausgrenzt, das versteht die öffentliche Diskussion allerdings nicht, wahrscheinlich weil sie denkt, dass die ja sowieso nichts versteht. Dass diese Frau trotz ihrer acht Kinder und trotz Kopftuch aber perfekt und akzentfrei deutsch spricht, zu Hause und gegenüber ihren Brüdern durchaus ihre Meinung kundtut und ihre Ansichten durchboxt, davon hat die deutsche Öffentlichkeit keine Ahnung, weil sich niemand die Mühe macht, mit diesen Frauen ernsthaft ins Gespräch zu kommen.
Auch in der arabischen Gesellschaft ändern sich die Zeiten und genauso, wie es in der älteren Generation ohne Frage so war, dass nur die Mädchen den Haushalt zu besorgen hatten und nur der Vater das Sagen hatte, genauso selbstverständlich ist es bei Hassans Schwester, dass ihr Sohn bei der Hausarbeit mithilft und ihr Mann ebenfalls. Auch in Hassans Familie mussten die Jungs mit anpacken, was bei sechs Jungs und drei Mädchen allerdings auch gar nicht anders ging. Das ist bei Weitem nicht der Regelfall, das will ich gar nicht behaupten, und vielleicht ist es auch heute noch eher ungewöhnlich in dieser arabischen Kultur, aber ich möchte darauf hinweisen, dass es das eben auch gibt, selbst und gerade in diesen viel zitierten Problemfamilien.
Vom Glauben her übrigens, wenn man das von einem islamischen Standpunkt aus betrachtet, ist Gleichberechtigung allerdings nichts Besonderes. Vor Gott sind alle Menschen gleich, auch wenn der Prophet im Namen Gottes aufgrund der körperlichen Stärke und Überlegenheit des Mannes dem Mann aufgetragen hat, Verantwortung für die Frau zu übernehmen. Ob das nun etwas Schlechtes ist oder nicht, ob so eine Abmachung in einer Ehe, in der Familie auch gewisse Vorteile bietet, das sei mal dahingestellt, aus dem Glauben aber ein totalitäres männliches Terrorregime ableiten zu wollen, dafür gibt es keine Anhaltspunkte in der Religion.
Trotz allem ist es in den meisten Familien aus diesem Kulturkreis so, dass die Jungs weniger machen müssen als die Mädchen, und auch Hassans Neffe versucht immer wieder, sich vor den aufgetragenen Pflichten zu drücken. Dann stellt er sich hin und schreit rum, wozu denn die ganzen Mädchen da seien und dass die das doch machen sollen, aber davon lässt sich seine Mutter nicht beeindrucken. Die holt ihn auch zurück, egal, von wo, wenn er mal vergessen hat, den Müll rauszubringen. Dann telefoniert die ihm so lange hinterher oder lässt ihm hinterhertelefonieren, bis er zurückkommt und das macht. Da kennt die nichts.
Das sind nur die kleinen Beispiele, die alltäglichen Dinge und wahrscheinlich haben auch deutsche Familien diese Probleme. Was ich damit zeigen will: So verschieden sind wir gar nicht. Streit um die Hausarbeit. Aufgabenverteilung. Familiäre Pflichten. Das ist in einer deutschen Familie ganz genauso wie in einer arabischen und noch vor einer Generation war es auch in Deutschland selbstverständlich, dass die Männer im Haushalt weniger machen mussten als die Frauen. Ob sich das heutzutage grundlegend geändert hat – da muss sich jeder selbst ein Bild machen und wahrscheinlich kommt man zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, ob man die Frauen oder die Männer befragt.
Ein weitaus größeres Thema, ein echter öffentlicher Aufreger und immer wieder heiß diskutiert ist das Thema Zwangsehe. Auch hier wird in großen Teilen
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