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Auf Amerika

Auf Amerika

Titel: Auf Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Schroeder
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reiten Cowboys und treiben die Viecher zusammen. In der Stadt sind die Straßen ganz breit. Viele Menschen laufen zwischen den Autos und den Rindviechern herum. Sie haben alle ein Gewehr umhängen oder einen Revolver am Gürtel. Die Häuser sind so hoch, dass man den Himmel nicht mehr sieht. Die Spitzen der Häuser kratzen an den Wolken, sagt der Veit. Dann sind wir in einem Haus ganz oben in einem Büro. Rundherum sind Fenster. Ich sehe die niedrigeren Häuser unter mir, dazwischen Menschen wie Ameisen.
    Jetzt kommt der amerikanische Notar herein, begleitet von zwei fein angezogenen Negern, die jeder eine Pistole tragen. Sie scheinen den Notar zu bewachen, der uns begrüßt. Mister Kolb, sagt er zum Veit, ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Erbe, willkommen in Chicago. Er sagt es auf Amerikanisch. Ein Mann übersetzt es auf Deutsch. Der Mann ist mein Vater. Er übersetzt alles, was der Notar sagt, aber ich glaube, er erkennt den Veit und mich nicht.
    Ihre Eltern, Mr. Kolb, sind gleich nach dem ersten großen Krieg ausgewandert. Ich habe hier ein Schreiben Ihrer Mutter, in dem sie Sie um Verzeihung bittet dafür, dass man Sie zurückgelassen hat. Ihre Eltern waren in Deutschland sehr arm, es reichte nicht das Geld für die Überfahrt aller drei Kinder. So gab man den Jüngsten, Sie, ins Waisenhaus. Im Laufe der Jahrzehnte sind die Kolbs durch die Rinderzucht zu Wohlstand gekommen. Jetzt sind Ihre Eltern verstorben, und Sie sind der einzige Erbe.
    Eine schöne junge Frau bringt jetzt einen Koffer herein, den sie auf den Tisch stellt und öffnet. Er ist voller amerikanischem Geld. Grünes Geld.
    Das ist Ihr Erbe, Mr. Kolb, eine Million Dollar. Ihr Vater hat verfügt, dass die Farm verkauft wird und Sie das Bargeld aus dem Erlös bekommen, so geschieht es nun.
    Der Veit starrt auf das Geld. Der Notar nimmt ein Bündel heraus, blättert es durch und reicht es dem Veit, der kaum wagt, es anzufassen. Schnell legt er es in den Koffer zurück. Die Frau und die Neger lächeln.
    Dann geben sie dem Veit den Koffer und machen ihn mit einer Fessel an seinem Unterarm fest, zur Sicherheit, wie sie sagen. Passen sie trotzdem gut auf, sagt der Notar, man hat schon Männern die Hand abgeschlagen, um an den Koffer zu kommen. Mein Vater bestätigt das.
    Der Veit lächelt und bedankt sich. Mein Vater und der Notar verschwinden durch eine Tür. Die Neger bringen uns zum Ausgang. Dann sind wir auf der Straße. Der Veit hat den Koffer mit dem Geld in der Hand. Viele Menschen stehen und gehen um uns herum. Sie schauen uns an. Mir wird angst. Plötzlich steht ein Mann mit einem großen Messer neben dem Veit. Er holt aus und schlägt dem Veit den Arm mit dem Koffer ab. Da wache ich auf. Ich bin schweißgebadet. Meine Mutter steht am Bett. Was ist mit dir?, fragt sie. Du hast geschrien. Hast du geträumt?
    Ja.
    Was denn?
    Ich weiß nicht.

78
    Wie er gegangen ist, so ist er wiedergekommen, der Veit, unauffällig, von niemandem gesehen. Zehn Tage nach seinem Verschwinden stand er morgens um fünf in seinem Arbeitsgewand im Stall und mistete aus. Die Wirtin, die ihn als erste bemerkte, traf fast der Schlag. Er lächelte und wünschte ihr einen guten Morgen. Sie rannte hinaus, zum Haus und der Wirtschaft hinüber, und schrie: Der Veit ist wieder da. Was schreist du denn deswegen so?, sagte der Wirt und ging in den Stall hinüber zum Veit.
    Bist du wieder da?
    Das siehst du doch.
    Schon. Und ist alles in Ordnung?
    Ja.
    Ja, dann.
    Damit war der Wirt im Gegensatz zu zahlreichen anderen in Hausen zufrieden. Er war wieder da, er wird einen Grund gehabt haben zu gehen, er wird was zum Erledigen gehabt haben, das geht uns nichts an, sagte er sich.
    Der Meinung war die Wirtin nicht. Dass einer einfach zehn Tage verschwand und nichts sagte, von der Arbeit wegblieb und nicht sagte, wo er gewesen ist und warum und ob er jetzt geerbt hat oder nicht und überhaupt, das gehörte sich nicht.
    Am Abend trank der Veit wieder seine Biere an seinem angestammten Platz. Ein solcher Mittelpunkt war er noch nie gewesen. Die einen fragten stumm, schauten ihn an, erwarteten eine Erklärung oder versuchten im Gesicht des Veit eine Antwort zu finden, ein Zeichen für etwas von dem, was die neugierigen Gemüter seit Tagen beschäftigte. Andere, wie mein Vater, fragten dem Veit, der nur lächelte, Löcher in den Bauch.
    Und, warst du in Amerika?
    Mit einem Flieger oder mit einem Schiff?
    Oder zu Fuß?
    Gelächter.
    Warst du in Chicago?
    Hast du geerbt?
    Sie fragten nach allen

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