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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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und nicht auf so etwas.
    Beim Lesen der Ermittlungsakte wurde klar, dass Untersuchungshaft beantragt werden musste. Es war nicht nur die erhebliche Straferwartung, die eine Fluchtgefahr nahelegen konnte. Man wusste nicht, ob und wie viel Geld die Beschuldigten im Drogengeschäft bereits verdient und für »harte Zeiten« beiseitegelegt hatten. Sie hatten außerdem weder Lieferanten noch Abnehmer benannt, sodass auch die Annahme von Verdunklungsgefahr nicht fernlag.
    Als die beiden später nacheinander dem Ermittlungsrichter vorgeführt wurden, ging ich mit ins Richterzimmer. Sie zeigten sich geständig und gaben noch zwei oder drei weitere Taten zu, die sie bereits gegenüber der Polizei erwähnt hatten. |117| Zu den Abnehmern und Lieferanten schwiegen sie sich weitgehend aus beziehungsweise erklärten, dass alles völlig anonym abgelaufen sei. Ich überlegte mir, dass es vielleicht sogar eine »gesundheitsfördernde« Maßnahme war, keine Namen zu nennen. Angesichts der gefundenen Mengen ging es hier ja schon um richtige Großhändler. Die konnten sicherlich schnell allergisch reagieren. Beide Beschuldigten erklärten dem Ermittlungsrichter nochmals nachdrücklich, dass sie jetzt aus ihren Fehlern gelernt hätten, nie wieder Drogen anfassen würden und nach Hause wollten.
    Der Ermittlungsrichter erklärte ihnen, dass aufgrund des gewerbsmäßigen Handels mit großen Mengen eine erhebliche Strafe zu erwarten sei. Außerdem sei noch nicht klar, ob sie vielleicht sogar als Mitglieder einer Bande anzusehen seien. Dann wäre eine Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren einschlägig. Das war für die Beschuldigten zu viel. Es gab ein Zucken in den Mundwinkeln. Unter Tränen baten sie nochmals um Freilassung. Einer der beiden fragte dann noch, ob er jetzt »nach Kieferngrund« komme. Da dies die Untersuchungshaftanstalt für Jugendliche ist, verneinte der Richter die Frage natürlich, schließlich waren sie bei Tatbegehung bereits 21   Jahre alt. Sie kämen jetzt in die Justizvollzugsanstalt Moabit. Der Beschuldigte entgegnete völlig fassungslos, das ginge nicht, keinesfalls dürfe er da hingebracht werden. Die Zustände dort würde er nicht überleben. Es gebe nur eine Stunde Hofgang, den Rest des Tages sei man in eine kleine Zelle eingesperrt und so weiter. Nach einer Weile fragte der Ermittlungsrichter erstaunt, woher er sich so gut mit den Verhältnissen in der Justizvollzugsanstalt auskenne. Sein Cousin arbeite dort und habe ihm schon öfter erzählt, wie schlimm die Zustände seien, erwiderte |118| der Beschuldigte. Der Richter räusperte sich und meinte nur, dass er mal besser früher über die Worte seines Cousins nachgedacht hätte.
     
    Der Samstag zog sich hin und endlich war ich bei der letzten Ermittlungsakte für diesen Tag angelangt. So froh ich war, ans Ende zu kommen, so widerlich war der Inhalt der Akte. Die Mietwohnung des fünfundvierzigjährigen Beschuldigten befand sich in unmittelbarer Nähe einer Schule für lernschwache Kinder. Sie lag quasi auf dem Schulweg. Nachmittags, wenn die Kinder von der Schule kamen, versuchte der Beschuldigte sich auf der Straße mit Jungen im Alter von neun bis zwölf Jahren anzufreunden. Er verschenkte auch häufiger Geld für Eis oder Süßigkeiten. Die Kinder, die oft aus ärmeren Verhältnissen stammten, nahmen das Geld gerne an. Er hatte sich eine Spielkonsole mit großem Bildschirm angeschafft und lockte die Jungen erfolgreich in seine Wohnung. Dort sollten sie es sich vor der Playstation bequem machen und sich auch ein bisschen ausziehen. Dann machte er sich an die Kinder ran. Es geschah eher beiläufig, so als ob es etwas ganz Normales wäre. Obwohl die Jungen versprechen mussten, nichts zu verraten, bekamen die Eltern es doch relativ schnell heraus. Der Beschuldigte wurde festgenommen. In der Ermittlungsakte fanden sich fünf überzeugende Aussagen von Kindern, die über mehrere Seiten gingen. Sie waren sehr detailliert und untereinander stimmig. Dass es sich um ein vorher abgesprochenes »Fantasieprodukt« der lernschwachen Kinder handelte, von dem sie selbst unter der besonderen Situation der Vernehmung nicht abwichen, war ziemlich fernliegend.
    Ich beantragte die Anordnung der Untersuchungshaft |119| und ging mit ins Richterzimmer, als der Beschuldigte vorgeführt wurde. Dieser zeigte sich erstaunt über die Vorwürfe. Ja, die Kinder seien in seiner Wohnung gewesen. Aber das seien doch nur dumme Jungs. Denen könne man nicht glauben. Es würde doch

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