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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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ausgeschlossen werden, dass der Handschuh mehrfach benutzt wurde. Weiterhin sei nicht auszuschließen, dass der Angeklagte mehrere ähnliche Taten begangen habe und mit anderen eine Bande gebildet habe. Daraus ergäbe sich die Möglichkeit, dass der Angeklagte und etwaige Bandenmitglieder die Tarnungsmittel und Tatwaffen an einem gemeinsamen Ort aufbewahrt hatten. Daher könne auch ein anderer Täter den Handschuh am Tatort benutzt haben. Zwar sei die DNA des Angeklagten an dem Handschuh gefunden worden. Diese Spur könne jedoch auch daraus herrühren, dass der Angeklagte den Handschuh vorher bei einer anderen Tat benutzt hatte. Verurteilen könne das |123| Gericht aber immer nur wegen der konkreten Tat, die angeklagt werde. Somit blieben letzte Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, die zu seinen Gunsten zum Freispruch führen mussten.
    So viel zum Thema DN A-Spuren am Tatort! Der Staatsanwalt regte sich mächtig auf. Es waren ihm ein paar »Wenn« und »Könnte« zu viel. Außerdem war der Angeklagte wegen einer ganz ähnlichen Tat vorbestraft. Aber es nützte natürlich nichts mehr.
    Sinan umarmte zufrieden seinen Verteidiger – die Handschellen hatte man ihm im Sitzungssaal abgenommen. Er hatte wohl doch einen richtig guten Verteidiger erwischt. Wobei er davon ausging, dass dieser ihn für schuldig hielt. Der Verteidiger hatte zu ihm gesagt, dass er gar nicht wissen wolle, ob Sinan schuldig sei. Gäbe es trotz Schuld einen Freispruch, so habe er damit kein Problem. Die Schuld müsse im Strafprozess voll nachgewiesen werden. Fehlurteile seien der Preis für ein rechtsstaatliches Verfahren.
    Erleichtert kehrte Sinan in die Haftanstalt zurück. Und auch der Verteidiger war zufrieden, war doch klar, was jetzt passieren würde. Das, was eigentlich immer nach solchen »Siegen« geschieht. Zwar konnte Sinan nicht gleich freigelassen werden, da er noch eine Reststrafe absitzen musste und die Untersuchungshaft auch für das Verfahren in Berlin angeordnet worden war. Trotzdem würde er seinen Mithäftlingen stolz von dem erzielten Freispruch erzählen. Die würden natürlich sofort fragen, wer sein Verteidiger gewesen sei, in ihren Augen mit Sicherheit ein »Genie«.
     
    Am übernächsten Morgen würde der Verteidiger in aller Ruhe seine Rechtsanwaltskanzlei aufsuchen und viele Briefe |124| auf seinem Schreibtisch vorfinden. Neue Mandanten (alles Häftlinge aus der Haftanstalt), die bereits freudig einer baldigen Haftentlassung oder einem Freispruch mit Hilfe des »Genies« entgegensahen. Schließlich waren sie alle irgendwie »unschuldig«.

|125|
Der mysteriöse Anzeigeerstatter
    E s war der letzte Dienstag im Mai. Kurz vor 9:00   Uhr traf ich in meinem Zimmer ein. Ich schnappte mir die zwei Wasserkanister und stieg eine Etage tiefer, um Wasser zu holen. Als ich keuchend zum Zimmer zurückkam, war es schon 9:05   Uhr. Mona und Jörg standen bereits mit ihren Kaffeetassen vor der Tür. Hilflos drückten sie mehrmals die Türklinke und blickten sich um. Kurze Zeit später lag dann Kaffeeduft in der Luft. Erleichtert strömte ein Großteil unserer Abteilung ins Zimmer. Die Stimmung im Café Jura war ausgesprochen gut. Mona und ich freuten uns, dass die umfangreiche Vertretung des Dezernats von Gerlinde ihrem Ende zuging. Jörg erzählte von seinen Erlebnissen bei seinem gestrigen Tagesdienst, die wirklich lustig waren.
    Jeder Staatsanwalt ist irgendwann mit dem Tagesdienst an der Reihe. Strafanzeigen oder Anträge auf Strafverfolgung können nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der Staatsanwaltschaft direkt gestellt werden. Dafür wurde ein gesonderter Raum eingerichtet, in dem ein Staatsanwalt die Strafanzeigen aufnimmt und an die einzelnen Abteilungen weiterleitet.
    Jörg hatte an diesem Tag nur einmal Kundschaft. Der Mann, der ihn aufsuchte, trug einen älteren Trainingsanzug und hatte zwei prall mit Papier gefüllte Aldi-Einkaufstüten |126| dabei. Diese enthielten nach seinen Angaben »hoch brisante Informationen«. Damit Jörg die Angelegenheit an die zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft weiterleiten konnte, benötigte er Angaben zu der Person des oder der Beschuldigten sowie zu dem genauen Tatvorwurf. Dazu schwieg sich die mysteriöse Person im Trainingsanzug jedoch aus. Die Angelegenheit sei derart heikel und explosiv, dass er nur mit dem letztlich zuständigen Staatsanwalt »unter vier Augen« darüber reden könne. Jörg ging der »Geheimnisträger« langsam richtig auf die Nerven. Dann

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