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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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öffnete sich die letzte Tür und er stand in einem Sitzungssaal mit einer bestimmt sieben Meter hohen Decke. Die Bank, auf der er Platz nehmen musste, war etwa bis in Höhe von einem Meter zwanzig |178| von einer Holzwand umzäunt. Links von ihm hatten fünf Richter und eine Protokollführerin Platz genommen, die von der erhöhten Richterkanzel auf ihn hinabsahen. Vor ihm saß sein Verteidiger und schräg gegenüber der Staatsanwalt. Beängstigend fand Sinan das nicht mehr. Immerhin kannte er ein entsprechendes Szenario schon aus Chemnitz. Trotzdem war er sehr aufgeregt. Wenn er auch hier freigesprochen wurde, war er bald ein freier Mann! Noch bevor das Gericht die Hauptverhandlung eröffnete, ging sein Verteidiger schon zur Richterbank. In der Hand hielt er das Urteil aus Chemnitz: »Ich hoffe, Sie haben mitbekommen, dass mein Mandant hinsichtlich des Raubüberfalls in Chemnitz freigesprochen wurde.« Der Vorsitzende meinte nur lapidar, dass man hier nicht in Chemnitz sei.

|179|
Zweiter Sitzungstag
    A m zweiten Verhandlungstag in dem Vergewaltigungsprozess waren die Mutter von Nina R. sowie Freunde als Zeugen geladen, welche das Opfer nach der Tat in der Diskothek getroffen und zur Anzeige gedrängt hatten.
    Die Mutter wurde zum familiären Hintergrund befragt. Außerdem sollte sie angeben, was sie über das Verhältnis ihrer Tochter zu Männern wisse. Sie beschrieb ein sehr enges und offenes Verhältnis zu ihrer Tochter, wonach sie über alle Themen reden konnten. Die Mutter wusste, dass die Tochter noch Jungfrau war und dies auch bleiben wollte, bis sie eine feste Beziehung eingegangen war. Sie erklärte, dass es aber von ihrer Seite auch kein Problem gewesen wäre, wenn ihre Tochter mit einem Mann sexuell verkehrt hätte. Immerhin war sie schon siebzehn Jahre alt. Die Mutter betonte, dass sie »nicht hinter dem Mond« lebe. Ihre Tochter habe ihr, gleich als sie nach Hause kam, von der Tat erzählt und geweint.
    Der Verteidiger fragte nochmals nach, ob die Mutter wirklich nichts von sexuellen Kontakten der Tochter zu Männern vor der Tat wisse. Dies wurde verneint. Ob dies auch Anal- und Oralverkehr beinhalte. Ja. Ob sie besonders stolz auf die Jungfräulichkeit ihrer Tochter gewesen sei. Die Mutter antwortete achselzuckend, dass sie die Einstellung ihrer Tochter zur Sexualität gut finde. Stolz sei sie darauf |180| aber nicht, schließlich sei Geschlechtsverkehr in diesem Alter heute etwas ganz Normales.
    Als Nächste wurde eine Freundin von Nina R. vernommen. Sie war an dem fraglichen Abend in der Diskothek dabei gewesen. Ob ihr die Jungfräulichkeit von Nina R. bekannt gewesen sei und ob sie deswegen vielleicht im Freundeskreis verspottet worden sei? Die Freundin erklärte, eng mit Nina R. befreundet zu sein. Sie würden sich sehr gut verstehen und natürlich auch über Männer sprechen. Sie wisse von ihrer Jungfräulichkeit und kenne ihre Vorstellungen über eine Beziehung. Die halte sie für völlig normal und habe sie niemals damit aufgezogen. Auch im Freundeskreis sei das nie ein Thema gewesen. Sie glaube auch nicht, dass Nina darüber noch mit anderen geredet habe. Verspottet hätte sie sowieso niemand. Dafür sehe sie viel zu gut aus. In der Diskothek sprächen sie ständig junge Männer an, die mit ihr tanzen oder ihr Getränke ausgeben wollten.
    In der Tatnacht sei ihr gleich aufgefallen, dass Nina R. nicht so fröhlich wie sonst wirkte. Sie habe erst gedacht, dass sie schlechte Laune hätte. Dann fand sie es komisch, dass Nina nicht von ihrem Barhocker aufstehen wollte. Schließlich sah sie, dass sich vor Nina auf dem Boden ein Blutfleck gebildet hatte und ihr das Blut die Strumpfhose hinunterlief. Auf ihre Frage, was das zu bedeuten habe, erzählte Nina weinend alles. Sie erklärte ihrer Freundin, dass sie zur Polizei gehen müsse. Nina R. sagte daraufhin mehrmals monoton »Ja«, wollte aber nicht aufstehen und wirkte verwirrt. Schließlich gelang es ihr, sie mit einem Freund in ein Auto zu bringen und zur Polizei zu fahren.
    Der Verteidiger begann gleich mit der Frage, ob es nicht merkwürdig sei, dass Nina R. zwei Wochen nach der Tat |181| schon wieder mit in die Diskothek gekommen und dabei freizügig gekleidet gewesen sei. Er zeigte der Freundin die Fotos. Die Freundin antwortete sofort erbost, dass daran nichts merkwürdig sei. Nina sei immer gern in die Diskothek gegangen. Sie könne sich doch jetzt nicht in ein Kloster einschließen und in Nonnentracht herumrennen. Schließlich müsse der

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