1207 - Ich komme aus der Hölle
Wir waren alarmiert worden, weil eine Frau einen Notruf bei der Polizei abgegeben hatte. Sie hatte sich in heller Aufregung befunden und von einem Monster gesprochen.
Von einer tiefen Stimme, von schrecklichen Schreien und wieder von der Stimme, die erklärt hatte, dass jemand aus der Hölle käme.
Wir waren einfach nur unterwegs gewesen. Von der Wohnung zum Büro. An einem frühen Morgen. Mehr aus Langeweile hatte ich den Polizeifunk abgehört und die Alarmmeldung mitbekommen. Da wir uns in der Nähe befanden, hatte ich mich schnell entschlossen, zum Ort des Geschehens zu fahren und nachzuschauen.
Wir hatten auch die Frau getroffen, die noch immer außer sich gewesen war. Eine Reinemachefrau, die erst nicht glauben wollte, dass wir Polizisten waren, da wir keine Uniformen trugen. Sie hatte sich schnell überzeugen lassen und war unseren Anordnungen gefolgt, denn sie wartete im Hausflur.
»Im Keller werden so Schweinereien gemacht«, hatte sie uns noch mitgeteilt.
Was sie damit meinte, konnten wir uns auch dann nicht erklären, als wir so weit nach unten gegangen waren, um einen ersten Blick in den großen Kellerraum zu werfen.
Ein Keller war es nicht. Zumindest kein landläufiger. Wir hatten den Eindruck, in einem TV-Studio zu stehen, das sich aus mehreren kleinen Studios zusammensetzte.
Die kleinen Studios verteilten sich wie Bühnen innerhalb dieses Komplexes. Jedes Studio war eine Welt für sich. Jeweils zwei Kameras beobachteten die Flächen von verschiedenen Seiten, und die Ausstattung ließ darauf schließen, dass hier verschiedene Geschmäcker zufrieden gestellt werden sollten.
Ein Studio sah aus wie ein Schlafzimmer. Das andere war eine Küche. Ein drittes zeigte eine künstliche Waldwiese mit Bäumen im Hintergrund, ein viertes Studio beinhaltete einen Whirlpool, in dem grünlich schimmerndes Wasser schwappte.
Das Becken war recht groß. Darin konnten sich mindestens vier Personen tummeln.
Und in jedem dieser Studios standen die beiden Kameras, die von verschiedenen Positionen aus alles beobachteten. Sie waren eingestellt und würden die bewegten Bilder auf irgendwelche Schirme übertragen. Zumeist auf die Monitore der Computer, denn der jeweilige User konnte sich die Szenen herunterladen.
Szenen mit Menschen. Mit Mädchen. Safer Sex per Bildschirm. Webcam- Erotik.
Davon war jetzt nichts zu sehen. Es brannte nur das Licht, das seine hellen Strahlen verteilte.
Wir gingen noch einen Schritt weiter, verließen die Treppe, sahen wieder Blut auf den hellen Fliesen und auch ein weiteres Studio, ganz rechts von uns.
Es war ein Folterkeller. Etwas aus der Sadomaso-Szene, wobei die Wirklichkeit das Spiel bereits überholt hatte, denn beim Näherkommen verging uns das Reden, denn wir sahen den Körper einer nackten Frau.
Wir sahen noch mehr Blut, und wir wussten schon jetzt, dass diese Frau nicht mehr lebte…
***
Man hatte die Frau festgebunden. Der Körper hing in Ketten und bildete dabei ein großes X. Mehr möchte ich nicht beschreiben, denn ihr Mörder hatte sich wie ein wildes Tier verhalten und sie mit den Instrumenten gepeinigt, die auf dieser kleinen Bühne herumstanden. Zwei Kameras waren stumme Zeugen. Die Frau musste wahnsinnig gelitten haben. Ihre Schreie waren bis nach oben gedrungen, aber die Reinemachefrau hatte auch nicht helfen können. Zum Glück war sie nicht in den Keller gegangen und oben geblieben.
Wir näherten uns dieser Bühne mit kleinen Schritten und versuchten, möglichst keine Spuren zu zerstören. Ich merkte, wie die Haut auf meinem Rücken einfror und sich zusammenzog. Wir gingen bis an den Rand der Bühne und blieben dort stehen, denn wir mussten uns den Tatort genauer anschauen, so schlimm es auch war, aber so etwas gehört eben zu unserem Job.
Jetzt rochen wir auch das Blut. Es war nicht mehr so frisch.
Die Flecken hatten an der Oberfläche bereits eine Haut bekommen. Die Flecken verteilten sich auf der kleinen Bühne, und ich konzentrierte mich auf die Frau.
Sie war ungefähr 40 Jahre. Aus der Nähe fiel mir auf, dass sie nicht vollständig unbekleidet war. Als Kleidungsstücke trug sie breite Lederriemen. Sie waren quer gespannte Hosenträger, die bestimmte Stellen ihres Körpers bedeckten und wie ein X angelegt waren.
In dem dichten schwarzen Haar klebte ebenfalls Blut. In den weit aufgerissenen Augen lag noch der Schrecken, den diese Person in den letzten Sekunden ihres Lebens durchlitten hatte.
»Wer tut so etwas?«, fragte Suko.
Ich hob die Schultern.
Weitere Kostenlose Bücher