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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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Angeklagte bestraft werden und nicht Nina.
    Ich musste schmunzeln. Endlich bekam der Verteidiger etwas Gegenwind. Sie ließ sich von ihm nicht die Butter vom Brot nehmen und hielt mit seinem aggressiven Ton mit. Ob sie das allerdings zu einer besseren Zeugin machte, war mehr als fraglich. Der Verteidiger versprach sich sicherlich etwas davon, sie wütend (gegen die Sache des Angeklagten) zu machen und sie dann als voreingenommen darzustellen. Erneut fragte er ausdrücklich, ob Nina R. mal etwas von »analen oder oralen Vorlieben« erzählt habe. Der Freundin klappte nun der Kiefer runter. Sie konnte offenbar nicht glauben, was sie gerade gehört hatte, und war stinksauer. Sie erwiderte, dass Nina ihr davon mit Sicherheit erzählt hätte. Zudem würde es überhaupt nicht zu Ninas Einstellung zu Partnerschaft und Sexualität passen. Diese Vorlieben entsprächen vielmehr den »dreckigen Phantasien des Angeklagten und des Verteidigers«.
    Schließlich wurde die Freundin als Zeugin entlassen und der Freund vernommen, der Nina R. zur Polizei gefahren hatte. Von ihm gab es kaum neue Erkenntnisse und so näherte sich der zweite Verhandlungstag seinem Ende. Jetzt gab allerdings die Verteidigung neue interessante Details bekannt. Nina R. sei gar nicht so »sexuell prüde«, wie von ihr behauptet. Vielmehr würde sie es gerne anderen Männern |182| »oral besorgen«. Auch mit dem Angeklagten sei es in seinem Auto ungefähr einen Monat vor der Tat dazu gekommen. Es gebe sogar zwei Zeugen, die kurz zuvor aus dem Auto ausgestiegen seien und dann alles gesehen hätten. Kaum seien die beiden allein gewesen, habe sich Nina R. schon »über den Angeklagten hergemacht«.
    Ich war froh, dass Nina R. das nicht mehr mit anhören musste. Aus meiner Sicht war es ein durchsichtiges Manöver mit dem schwierigen Ziel, aus Nina R. ein »leichtes Mädchen« zu machen. Da sie noch Jungfrau war, kam natürlich nur eine entsprechende Geschichte in Betracht. Sie musste selbstverständlich in der Öffentlichkeit spielen, damit man Zeugen auffahren konnte.
    Es wurde vereinbart, für den dritten Verhandlungstag diese beiden Zeugen zu laden. Danach sollten die Abschlussplädoyers gehalten werden.
    Innerlich hatte ich in diesem Fall meine Entscheidung getroffen. Ich würde eine Verurteilung beantragen. Das familiäre und freundschaftliche Umfeld von Nina R. gab aus meiner Sicht keine Anhaltspunkte dafür her, dass sie sich wegen eines gewollten Geschlechtsverkehrs vor irgendjemandem hätte rechtfertigen müssen und in einen Konflikt geraten wäre, der eine falsche Anschuldigung plausibel gemacht hätte. Es waren auch kein schwieriger oder problembelasteter Familienhintergrund, kein Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder sonstige psychische Drucksituationen erkennbar, die Ursprung einer derart eiskalt durchgezogenen Falschverdächtigung hätten sein können. Auch ein übersteigertes Geltungsbedürfnis, der Wunsch, durch eine solche Anzeige das allgemeine Interesse auf sich zu ziehen, schien mir fernliegend. Nina R. stand aufgrund ihres |183| Aussehens ohnehin im Mittelpunkt und konnte sich beim Ausgehen vor Aufmerksamkeit nicht retten. Sollte sie einen derartig folgenreichen Prozess bis ins Letzte durchziehen wollen, weil der Angeklagte sie angeblich hatte abblitzen lassen? Den sie auch nach den Angaben des Angeklagten nur von wenigen Kontakten in der Diskothek kannte und von dem sie gewusst hatte, dass er verheiratet und zweifacher Familienvater war? Ich hielt es für abwegig.
    Aber genau das war der kritische Punkt. Damit Peter Z. verurteilt werden konnte, musste das Gericht der vollen Überzeugung sein, dass Nina R.s Version stimmte und die des Angeklagten falsch war. Blieben auch nur leiseste Zweifel, musste das Gericht zugunsten des Angeklagten entscheiden und ihn freisprechen. Es reichte also nicht, wenn das Gericht die Schilderungen von Nina R. für sehr wahrscheinlich und die des Angeklagten für ziemlich unwahrscheinlich hielt. Konnte das Gericht mit Sicherheit ausschließen, dass Nina R. den Geschlechtsverkehr freiwillig vollzogen hatte? Mir war es unmöglich vorherzusagen, wie das Gericht entscheiden würde. Ich meinte zumindest einschätzen zu können, dass die Ergebnisse der Hauptverhandlung ganz dicht an eine Verurteilung heranreichten. Vielleicht sah das der Verteidiger ähnlich und griff deshalb zu dem vermeintlichen Rettungsring (die kleine Sexgeschichte im Auto).

|184|
Sinan wird zu meinem Fall
    D er September kam und mit ihm ging Frau

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