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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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der Zeugin Nina R. im Auto sehr |196| gründlich ins Verhör genommen und ständig Fallen gestellt. Der Zeugin Nina R. aber habe er einfach geglaubt und kaum Fragen an sie gerichtet.
    Dazu hätte ich allerdings anmerken können, dass die Zeugin Nina R. zu der Tatnacht vom Gericht bereits ausführlichst befragt worden war, was beim Angeklagten und den Zeugen zu dem Geschehen im Pkw nicht der Fall war.
    Aber das Gericht werde ausgewogen urteilen und den Angeklagten freisprechen, fuhr der Verteidiger fort. Es werde auch seinen Mandanten betrachten: ein aufrichtiger Bürger, ein fürsorglicher und verheirateter Familienvater. Er habe sich nie auch nur das Geringste zuschulden kommen lassen.
    Das letzte Wort hatte der Angeklagte. Er wandte sich an die Amtsrichterin und die beiden Schöffinnen und schloss sich den Ausführungen seines Verteidigers an. Er schaute den Richterinnen direkt in die Augen und erklärte, dass er wirklich unschuldig und der Geschlechtsverkehr einvernehmlich erfolgt sei. Für die Anzeige habe er keine Erklärung.
    Und da war es wieder, dieses Lächeln auf seinem Gesicht. Er strahlte das Gericht geradezu an. Konnte ein Unschuldiger unter solch einem Druck ein so gelöst wirkendes Lächeln aufsetzen? War es möglich, als Schuldiger eine zurechtgelegte letzte Ansprache mit zurechtgelegtem Lächeln zu präsentieren? Ich hätte alles auf Letzteres gewettet. Sicherlich verlangte dies erhebliche Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung. Der Täter verfügte aber über einen hohen Intellekt. Für einen unschuldigen Vater von zwei kleinen Kindern, bei dem der Staatsanwalt gerade drei Jahre Gefängnis (ohne Bewährungsmöglichkeit) beantragt hatte, wirkte dieses Verhalten einfach nur unnatürlich.
    Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Ich wollte |197| unbedingt, dass der Angeklagte verurteilt wurde. Ein Staatsanwalt mit jahrelanger Erfahrung aus unzähligen strafrechtlichen Hauptverhandlungen würde einem solchen Prozess vielleicht innerlich gelassen gegenüberstehen. Mich hatte er hingegen wirklich mitgenommen. Ich war fest von Peter Z.s Schuld überzeugt und wütend auf den Angeklagten. Nicht nur, weil mir die Zeugin Nina R. so leidtat, sondern weil der Angeklagte und der Verteidiger dafür gesorgt hatten, dass sie sich im Gerichtssaal erneut erniedrigt fühlen musste. Weil sie die Zeugin in den Dreck ziehen wollten und ich das Lächeln in gewisser Weise auch einer arroganten Art des Angeklagten (ihm konnte keiner was!) zuschrieb.
    Die Lügengeschichte zur Vergewaltigung war einfach zu erzählen. Man konnte die Wahrheit berichten und musste nur die verbale und geringe körperliche Gegenwehr der Zeugin Nina R. weglassen. Einfach! Das gab dem cleveren Angeklagten ein gutes und sicheres Gefühl. Märchen zu präsentieren, die in allen Punkten erfunden waren (wie die Sexgeschichte im Auto), war dagegen viel schwerer. Und das hatte ich dem Angeklagten deutlich vor Augen geführt. Ich konnte nur hoffen, dass es auch für das Gericht reichte.
     
    Die Beratung des Gerichts dauerte eher kurz. Ein Zeichen dafür, dass das Gericht sich schon vor den Plädoyers weitgehend festgelegt hatte. Alle erhoben sich, um im Namen des Volkes zu hören, dass der Angeklagte auf Kosten der Staatskasse freigesprochen wurde! Ich war stinksauer, wusste aber, dass irgendwelche Einwände gegenüber dem Gericht oder Verbalattacken gegen den Angeklagten jetzt nichts mehr brachten. Stattdessen durfte ich noch das Grinsen von der Verteidigerbank über mich ergehen lassen.
    |198| Ich war ziemlich geknickt. Doch mit der Urteilsbegründung bekam ich noch ein paar Tiefschläge hinterher. Umfallen konnte ich aber nicht mehr, da die Urteilsbegründung im Sitzen abgegeben und vernommen wird. Sie begann mit den Worten, dass sich das Gericht im Laufe der Verhandlung ein Bild von dem Angeklagten gemacht habe und aufgrund seines höflichen, friedlichen und milden Auftretens der festen Überzeugung sei, dass der Angeklagte zu einer solchen Tat gar nicht fähig sei.
Na toll!
Der Angeklagte, konfrontiert mit so fürchterlichen Vorwürfen und derart existenzvernichtenden Folgen, sei in der Verhandlung dennoch offen und ausgeglichen geblieben, lobte die Vorsitzende.
    So war er halt, der Angeklagte. Ein richtiger Gentleman, dachte ich ironisch. Mir wurde flau in der Magengegend. Dieser Vorsprung an Menschenkenntnis seitens des Gerichts war einfach unerträglich, und ich schaute mit gesenktem Kopf in den Fußraum meiner Staatsanwaltskanzel. War dort eine

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