Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
Vom Netzwerk:
beim Gericht einen anderen Eindruck hinterließ.
    Dann schilderte sie den Verlauf der Tat erstaunlich detailliert. Wie sie Feierabend machen wollten und die Tür öffneten. Wie sie erschraken, als die maskierten Täter sie in das Ladengeschäft zurückdrängten und mit einer Pistole bedrohten. Wie sie sah, dass sich ihr Mann wehrte und mit der Pistole geschlagen wurde. Wie sie aus ihrer Starre erwachte, als das Blut über das Gesicht ihres Mannes strömte und sie sich zu wehren begann. Wie sie selbst geschlagen wurde und ihre schöne neue Brille, die sie sich quasi vom Munde abgespart hatte, zersplitterte und zu Boden fiel.
    Die Berufsrichterin stöhnte leise auf und meinte: »Das ist ja furchtbar.« Sie schaute kurz zu mir rüber, so als wollte sie sich vergewissern, ob ich auch alles mitbekommen hätte und was ich dagegen unternehmen wollte. Ja, ich hatte alles gehört, aber verurteilen musste das Gericht schon selber, dachte ich. Sollte sich der Tatverdacht in der Hauptverhandlung bestätigen, würde es jedenfalls keinen zu niedrigen Strafantrag meinerseits geben.
    Erika L. wurde schließlich nach den Auswirkungen der Tat auf ihr weiteres Leben gefragt. Ja, sie hätten den materiellen Schaden von der Versicherung erstattet bekommen. |205| Sogar eine Entschädigung für die vorübergehenden Umsatzeinbußen. Trotzdem hätten sie den Laden schließen müssen. Sie sei einfach nicht mehr in der Lage gewesen, freundlich und aufgeschlossen auf Kunden zuzugehen. Genau das, was doch einen kleinen Laden an der Ecke ausmache. Schlimmer noch, sie habe regelrecht Angst vor Kunden gehabt. Jedes Mal, wenn ein Kunde den Laden betrat, habe sie sich fürchterlich erschrocken. War es womöglich einer der Täter? Sie berichtete von ihren Albträumen, die sie immer noch mehrmals in der Woche heimsuchten. Wie sie dann wieder mit den maskierten Tätern kämpfen musste. Sie erzählte von dem kleinen Imbissstand, in dem sie jetzt arbeitete und wo sie nur Speisen zubereitete, jedoch nie und unter keinen Umständen mit Kunden in Kontakt treten wollte. Sie beweinte nicht das Unglück, das die Täter über sie gebracht hatten, sondern pries das Glück, so verständnisvolle Arbeitgeber gefunden zu haben. Sie würden nie die Bedienung der Gäste von ihr verlangen.
    Als sie mit ihrer Schilderung fertig war, hing einen Moment lang Schweigen in dem großen Saal mit seinen sieben Meter hohen Wänden und seinem großen Zuschauerbereich. Dem großen Saal, in den sich nicht ein einziger Zuschauer verlaufen hatte, um sich für das Unrecht zu interessieren, das Erika und Werner L. widerfahren war.
    Alle mussten das Gehörte erst mal sacken lassen. Erika L. vergoss bei ihrer Zeugenaussage nicht eine Träne. Und ich war mir sicher, dass ich nicht der Einzige bei dieser Gerichtsverhandlung war, der nach diesen Ausführungen innerlich eine Träne wegdrückte. Es gab noch vereinzelte Nachfragen, und dann war Erika L. als Zeugin entlassen. Sie erhob sich, schaute dem Angeklagten kurz ins Gesicht, drehte sich um |206| und verließ den Gerichtssaal. Sie kam auch an den weiteren Verhandlungstagen nicht mehr zurück. Ein Rechtsanwalt vertrat jedoch in ihrem Interesse die Nebenklage gegen den Angeklagten.
    Als Nächstes wurde Werner L. als Zeuge vernommen. Auch er konnte sich noch gut an die Tat erinnern. Die Platzwunde am Kopf war gut verheilt. Im Übrigen hatte er sich jedoch einer langwierigen kieferorthopädischen Behandlung unterziehen müssen, um die Folgen der Schlagverletzungen zu beseitigen. Gesichtszüge habe er damals leider nicht erkennen können, obwohl er einem der Täter die Maske vom Kopf gezogen habe. Sie lag dann wohl in dem Hausflur. Dann sei ja schon die Kriminalpolizei gekommen. Als es keine weiteren Fragen mehr gab, war der erste Verhandlungstag beendet.

|207|
Der Weg der DN A-Spur
    A m zweiten Verhandlungstag wurden als weitere Zeugen die Beamten von der Spurensicherung, die den Tatort ausgewertet hatten, vernommen und Peter K., der zufällig am Tatort vorbeigekommen war. Peter K. bekundete, dass er Erika L. schreien hörte, gleich darauf einen der Täter vergeblich verfolgte und dessen Rucksack zum Tatort zurückbrachte. Er berichtete, wie er Erika und Werner L. auf der Straße vor ihrem kleinen Laden vorgefunden hatte. Wie Werner L. auf die Knie gegangen war, um seine zusammengebrochene Frau zu umarmen. Beide weinend und von Blut überströmt. Ein Haufen Elend.
    Sodann waren die drei Beamten von der Spurensicherung an der Reihe. Es gab

Weitere Kostenlose Bücher