Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck

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was von beiden es war, sollte ich nicht erfahren. Ich wusste nur, dass Roger entschlossen schien, am Schluss als «vergeistigt» dazustehen und Doris als «praktisch, erdverbunden».
    «Wir hielten es beide für eine gute Idee, die Shakespeare-Maske zu nehmen», sagte Roger.
    Natürlich. Die erwartete Entscheidung.
    «Und –»
    «Ja?»
    «Den Perserteppich in der Diele. Und Doris möchte noch etwas, nicht wahr, Liebes?»
    «Die goldene Decke», sagte Doris schnell. «Du weißt schon, welche. Wir haben sie alle bewundert.»
    Zita zuckte zusammen, als hätte etwas an einen bloßgelegten Nerv gerührt. Und ich war bestürzt.
Ich
hatte die goldene Decke haben wollen. Ich wusste, dass ich sie immer noch haben konnte, weil alles mir gehörte, aber wenn ich die Sache aufbauschte, würde ich mich selbst entlarven, wo doch auch ich mir Mühe gegeben hatte, die Seite meines Wesens zu festigen, die die anderen wahrnehmen sollten.
    «Die goldene Decke gehört eigentlich zur Bettwäsche», sagte ich beiläufig. «Und ich wollte die Bettwäsche mitnehmen. Möchtest du nicht lieber einen Wandteppich? Oder eines der großartigen Kunstbücher? Oder dieses Buch über die Wüste?»
    «Na ja», sagte Doris langsam. «Ich bin mir sicher, Roger hätte gern das Buch über die Wüste, nicht wahr, Roger?»
    Sie ging hinüber zum Bücherschrank neben dem Klavier, in dem die besonders großen Bücher standen, und fand
Die Wüste.
Wir schauten ihr zu. Ich sah in jedem Gesicht die unglückselige Gier derer, die nicht vom Brot allein oder von Seelennahrung leben können, sondern Teppiche und Möbel und Decken brauchen.
    Decken.
    Ich sagte leichthin: «Ja, ich nehme die Bettwäsche und die Decken mit. Als Beispiel für amerikanische Schlafgewohnheiten.»
    Eine akzeptable Erklärung für jemanden aus den Kolonien, dachte ich. In einem Zeitalter der Erklärungen kann man immer unter mehreren Versionen der Wahrheit auswählen.
    Doris blieb hartnäckig.
    «Die Decke kann man leicht im Flugzeug mitnehmen … Es gibt auch einige hübsche kleine Töpfe und Gläser in der Küche. Ich habe mir gedacht, ich könnte ein paar davon haben. Du hast gesagt, wir könnten uns aussuchen, was wir wollen.»
    Ich nickte.
    «Oh.»
    Zitas Bestürzung war offensichtlich. «Nicht dieses hübsche blaue Ingwerglas.»
    «Genau das habe ich gemeint.»
    «Nein, ich bitte dich!»
    Beide blickten zu mir. Ich war doch die Eigentümerin. In Zitas «ich bitte dich» klang die ganze Kraft und Verzweiflung eines Flüchtlings mit, dem das blaue Ingwerglas auf der Stelle eine
Wohnstätte
verschaffen würde, Grizzly Peak Road, Berkeley Hills.
    «Da Zita und Theo hier wohnen werden, sollten sie vielleicht das Ingwerglas bekommen. Aber entscheidet selbst. Es gibt noch viele andere Dinge – das Gemälde in der Diele zum Beispiel.»
    «Textur III?»
    «Ja.»
    Niemand wollte das Gemälde in der Diele.
    Es war die übliche Geschichte. Nur die immer noch drückende Hitze hielt uns davor zurück, die Wände der Heftigkeit hochzuklettern und nacheinander hinauszuschreien, was wir von den Erbstücken der Garretts haben wollten, und für unsere Besitzansprüche zu kämpfen. Es hätte sich um jeden beliebigen Tod jeder beliebigen Person handeln können, um Blutsverwandte, um Menschen, die wir leidenschaftlich liebten und betrauerten: Es waren aber nur die Garretts.
    Nur die Garretts.
    Wir hatten ihnen in unseren Gedanken und Gesprächen sehr wenig Zeit gewidmet, und wenn einer von uns gebetet hätte, dann wahrscheinlich um Erleichterung und Vergebung für unser eigenes Leben und nicht für die uns kaum bekannten Toten. Ich dachte an den Gedenkgottesdienst für die Garretts, an die Lobrede, die ein pensionierter Professor für Städteplanung gehalten hatte, der auch in den Berkeley Hills wohnte und sich auch einen Platz in Carmel reserviert hatte. Ich dachte an Irvings Modellstadt, die in der Aufbahrungshalle ausgestellt war, und an die Art und Weise, wie der Bestattungsunternehmer sie mit Goldfarbe verschönert und auf ein dunkelrotes Samttuch gestellt hatte, das er über einen einfachen Holztisch breitete. Die Garretts hatten in ihrem Testament ausdrücklich einen einfachen Holzsarg verlangt, und Julian Soule war der Meinung, dass unter diesen Umständen ein Holztisch ihren Wünschen gerecht werden würde. Ein einfacher Holztisch. Plötzlich empfand ich einen schmerzhaften Schauer und war mit Literatur in Berührung, einer zugleich verschwundenen und neu imaginierten Welt: Jane Austen, George