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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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kann man nicht entkommen, solange des Führers Musterzöglinge keine Höllenmaschine über das Zündschloß einbauen, solange der Fiat nicht zerschmettert und eine schöne Frau nicht zu Blut, Fleisch und Knochen zerfetzt wird.
    »Mörder«, schrie Christian, stürzte sich auf Niebier und rieß ihn zu Boden: »Mörder!« Er würgte den Führer. »Mörder! Mörder!«
    Christian konnte den Westerwald nicht überschreien. Aber Krautkopf hörte diese Rufe. Selbst schon ein wenig wackelig auf den Beinen, weil ihm ein anständiger Kollege eine Thermosflasche mit Punsch heraufgeschickt hatte, riß er die Tür auf.
    Er starrte auf Christian, auf die anderen. Die Gefolgsleute kämpften gegen Christian.
    Der Wärter versuchte zwecklos, sie zurückzureißen.
    Er war zu schwach, und er hatte Angst vor dem Direktor, wenn er den Krawall nicht hinbrächte.
    Krautkopf jagte zurück; er öffnete auf dem anderen Flügel das Gitter, in dem sie zusammengepfercht waren, Schizoide, Schizophrene, Manisch-Depressive.
    Er stieß die Tür zurück wie das Laufgitter einer Manege.
    »Macht sie fertig, da drüben«, forderte er sie auf, Ordnung zu schaffen.
    Kassenpatienten rannten in den Flügel der Privatabteilung, voraus ein hünenhafter Bursche mit dem Grinsen eines Gorillas. Sie stürmten Christians Zimmer. Die anderen ließen voneinander ab. Christian würgte noch immer den Führer.
    Der Gorilla stürzte sich auf ihn. Ein zweiter. Ein dritter. Sie hieben mit der Flasche auf ihn ein.
    Christian sah Hände, die sich zu Krallen krümmten, dann spürte er sie. Als letzten Eindruck vor seiner Reise in die Stille erfaßte er noch, daß er den Führer niemals würde töten können.
    Der Hausherr lag schon seit einer Stunde unter dem Klostertisch, doch seine Schweineparty lief weiter wie das Tonband. Draußen dämmerte der neue Tag, Verkünder eines Hochs bis zum Ural.
    Im Haus löste sich die Gesellschaft in gleich laute oder in gleichgesinnte oder in gleichgeschlechtliche Zirkel auf. Die ersten Neugierigen kamen von ihrem LSD-Trip zurück. Aufgeputschte erschlafften. Nuditäten wurden schal und schweißig. Kein Zuschauer hatte mehr Lust auf Darbietungen im Badezimmer. Selbst die Exhibitionismen im Grünen Salon versandeten in Abstumpfung.
    Jutta wunderte sich, daß Erik und sie hier eine ganze Nacht aushielten, als einziges Paar, das stets zusammenblieb: ihre Orgie war eine händelose Zweisamkeit.
    Erik tanzte zum erstenmal mit Jutta, freiwillig und aggressiv. Wenn ihm andere Paare im Wege standen, rempelte er sie hart beiseite.
    Er meditierte nicht mehr, es war ihm, als kündigten seine Sinne ein Wetterleuchten an.
    Jutta fing die Veränderung auf und warf ein Crescendo zurück. Sie sah, daß er keinen angewiderten Zug mehr um den Mund hatte. Hände, die sich der Handschuhe entledigt hatten, zogen sie fest an sich, während Eriks Beine nicht mehr fürchteten, die Partnerin zu treten. Er dachte auch nicht mehr über den Rhythmus nach; der Körper nahm ihn auf. Erik schleuderte die Beine, als schüttelte er Lehmklumpen von den Sohlen, den Ballast seines Lebens: die Krankheit und den Konzern, Aglaia und die Sorge um Christian.
    Jutta sah zu ihm auf, lächelte ihn an und fand in seinem Gesicht stürmische Zärtlichkeit.
    Sie schmiegte sich an ihn. Ihr Atem streifte sein Gesicht. Sie legten die Wangen aneinander.
    Die Musik endete nicht, und so tanzten sie ohne Unterbrechung, engumschlungen.
    Auf einmal kam ihr Lied aus den Lautsprechern, voll Glanz und Trauer, aus den Urgründen von Verlangen und Verzicht:
    »When a man loves a woman …«, sang Percy Sledge.
    Seine heisere, brüchige Stimme versetzte Erik in einen Taumel. Er spürte, daß seine Haut brannte und eine Kraft sich an der Stelle staute, wo sein Körper längst vor dem Leben kapituliert hatte. Jutta fühlte, daß sie mit einem Mann tanzte.
    »If she's bad, he wont see she can do no wrong …«
    Eriks Hand griff nach ihrem Kinn und hob es; sich unverwandt ansehend, tanzten wie weiter.
    »Ich hab' dich lieb«, sagte er. Über sein Gesicht zogen Lichtreflexe, er sah nicht mehr beherrscht aus, zergrübelt. Jutta betrachtete ein schlüssiges Kinn, wilde Augen.
    »Oh this man loves you woman, tries to hold on to you …«
    »Und ich hab' dich geil«, sagte er.
    »Was sagst du da?« fragte Jutta.
    »Ich hab' dich geil«, überschrie er den Verstärker.
    Seine Worte legten Hand an den Damm, jagten ihn hoch. Die Trümmer, unter denen die Zeit verschüttet war, barsten wie Plunder. Er spürte

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