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Auf dem Zeitstrom

Auf dem Zeitstrom

Titel: Auf dem Zeitstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein Hosianna nach dem anderen zu singen?«
    Lothar erwiderte lachend: »Jeder chinesische oder indische Kuli wird bestätigen, daß diese Welt tausendmal besser ist als jene, die er verlassen mußte. Es sind lediglich wir verweichlichten und verwöhnten Angehörigen der westlichen Zivilisation, die ständig an allem herummeckern und bei allem, was sich unseren Augen offenbart, nach Begründungen suchen. Haben wir schon über unseren eigenen – irdischen – Kosmos wenig gewußt, so wissen wir über diesen hier fast gar nichts. Aber dennoch sind wir hier, und sicherlich finden wir eines Tages heraus, wer uns hierher verfrachtet hat und welche Absichten er damit verfolgt. Wer hat schon Lust, sich – solange es hübsche Frauen, Zigarren, Traumgummi, Wein und gelegentlich einen spannenden Kampf gibt – ernsthaft mit dieser Frage auseinander zusetzen? Ich für meinen Teil werde die Annehmlichkeiten dieses sternenbeschienenen Tales jedenfalls so lange genießen, bis man mir die guten Dinge, die das Leben zu bieten hat, ein weiteres Mal wegnimmt. Genießen wir das Leben, ehe es zu Staub zerfällt.«
    Sie schwiegen eine Weile. Erst kurz bevor sich der nächtliche Regen ankündigte, wurde Clemens müde. Sie verbrachten die Feuchtigkeitsperiode unter dem vorstehenden »Dach« des pilzförmigen Gralsteins, und kletterten, als der Regen aufhörte, wieder hinauf. Dennoch wälzte er sich noch mehrere Stunden lang umher und fror, obwohl er unter mehreren Decken lag. Als das Morgengrauen heraufzog, wurde er von Millers mächtiger Hand sanft geweckt. Hastig standen sie auf und kletterten von der Oberfläche des Steins herab. In sicherer Entfernung warteten sie ab. Fünf Minuten später schoß aus der steinernen Oberfläche ihres Nachtlagers eine zehn Meter hohe blaue Flamme in den Himmel, die einen Lärm erzeugte, die dem Gebrüll eines Löwen glich.
    Zur gleichen Zeit donnerten auch die Gralsteine auf dem anderen Ufer los.
    Clemens warf Lothar einen Blick zu und nickte. »Jemand hat die Leitung geflickt.«
    Lothar erwiderte: »Mir läuft es kalt den Rücken hinunter. Wen meinen Sie mit jemand?« Danach war er eine Weile ziemlich still. Erst als sie das westliche Ufer fast wieder erreicht hatten, lachte er wieder und begann wie ein Wasserfall zu reden. Zu zuversichtlich, dachte Clemens.
    »Bisher haben sie sich noch mit keinem Wink zu erkennen gegeben«, sagte Sam. »Jedenfalls habe ich noch nichts von ihnen bemerkt. Aber diesmal, glaube ich, ist ihnen einfach nichts anderes übriggeblieben.«
     

5
     
    Die nächsten fünf Tage verbrachten sie damit, das Schiff in die Nähe des Ufers zu transportieren. Weitere zwei Wochen vergingen während der Reparaturarbeiten an der Dreyrugr. Man stellte während der ganzen Zeit eine Wache auf, aber niemand machte Anstalten, sich in diesem Gebiet sehen zu lassen. Als das Schiff schließlich wieder im Wasser lag (es war immer noch ohne Masten und Segel) und sie es den Fluß hinabruderten, zeigte sich noch immer keine lebende Seele.
    Die Mannschaft, daran gewöhnt, an Uferstreifen entlangzusegeln, auf denen es von Menschen nur so wimmelte, begann sich unbehaglich zu fühlen. Die Stille fraß an den Nerven. Zwar gab es außer den Fischen, die den Fluß bevölkerten, und den Würmern, die sich an den Flußufern aufhielten, keine Tiere auf dieser Welt, aber die Menschen hatten stets genügend Lärm gemacht.
    »Die Hyänen werden noch früh genug hier auftauchen«, sagte Clemens zu Blutaxt. »Eisen ist auf diesem Planeten viel wertvoller, als Gold es jemals auf der Erde war. Bist du immer noch scharf auf einen Kampf? Bald wirst du soviel davon haben, daß dir übel wird.«
    Der Nordmann schwang seine Axt ungeachtet der Schmerzen, die ihm zu schaffen machten. »Sollen sie nur kommen! Sie werden erfahren, was es heißt, in einen Kampf verwickelt zu werden, der das Herz einer jeden Walküre zum Singen bringt!«
    »Gefwätf!« sagte Joe Miller verächtlich. Sam lächelte und nahm eine Position ein, in der er hinter dem Titanthropen zu stehen kam. Obwohl Blutaxt nur ein einziges Wesen auf dieser Welt wirklich fürchtete, konnte man dennoch niemals sicher sein, ob er in der Lage war, sein Temperament zu zügeln. Der Wikinger war ein potentieller Amokläufer. Aber ebenso brauchte er Miller, der ihm zwanzig Krieger ersetzte.
    Zwei Tage lang segelten sie ungestört durch das sonnenbeschienene Tal. Während der Nachtstunden bediente ein Mann das Ruder, und die Mannschaft schlief. Am frühen Abend des dritten

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