Auf den zweiten Blick
nicht mehr in Schutz zu nehmen.«
Während der langen Heimfahrt gab sie sich keine Mühe, sich wie sonst mit John zu unterhalten. Sie stürmte ins Haus und rief so laut nach Alex, daß ihr Zorn aus den Ecken der Eingangshalle widerhallte.
»Hier«, hörte sie Alex antworten.
Cassie öffnete die Tür zum Arbeitszimmer, wo Alex mit einer Zeitung im Schoß auf dem Sofa saß. Eine Flasche Whiskey klemmte rechts neben ihm in den Kissen. »Du trinkst«, stellte sie fest, nahm ihm die Flasche weg und stellte sie auf die Bar an der Wand gegenüber. Sie blieb mit verschränkten Armen neben dem Ställchen stehen, in dem Connor vor sich hinplapperte.
Alex grinste phlegmatisch. »Connor hat ein Fläschchen gekriegt«, sagte er. »Ich fand, ich hätte auch eins verdient.«
»Du hast die Gruppensitzung letzten Sonntag geschwänzt«, bemerkte Cassie trocken.
»Richtig«, gab Alex zu. Das Wort kam langsam und gedehnt. »Ich war damit beschäftigt, meine Karriere wiederaufzubauen. Meinen Ruf - du weißt schon, den, den du immer wieder ruinierst.« Er stand auf und drückte ihr die Zeitung in die Hand. »Der In former von morgen, pichouette. Lag in einem braunen Umschlag vor der Tür. Und lies nicht nur die Schlagzeilen. Das Beste steht auf Seite drei.«
Cassie faltete die Zeitung auseinander und überflog die Titelseite. ALEX RIVERS VON EHEFRAU MIT UNEHELICHEM MISCHLINGSSOHN GENARRT. Daneben war ein Bild von Alex und ihr am Flughafen, auf dem er den Arm um sie gelegt hatte; und ein zweites von Cassie mit Will, wie sie vor Monaten aufs Polizeirevier gekommen waren, wo Alex sie abgeholt hatte.
»Das ist doch lächerlich.« Cassie lachte auf. »Das kannst du doch unmöglich glauben.«
Alex fuhr so schnell herum, daß ihr die Zeitung aus der Hand fiel. »Es ist ganz egal, was ich glaube«, sagte er. »Viel wichtiger ist, was die Leute glauben werden.«
»Das ist nicht gerade das Time Magazine«, wandte Cassie ein. »Jeder, der diesen Fetzen liest, weiß doch, daß die Geschichten reine Hirngespinste sind.« Sie hielt inne. »Wir verklagen sie. Und das Geld legen wir auf Connors Ausbildungskonto an.«
Alex baute sich vor ihr auf und packte sie am Arm. »Sie haben den Brief zitiert, den er dir geschrieben hat und der oben liegt. Sie behaupten, du willst dich in Washington mit ihm treffen.«
Einen Moment überlegte sie, wie Wills Brief, der so gut versteckt in ihrer Wäscheschublade lag, wohl an die Öffentlichkeit gekommen war. Cassie war enttäuscht, daß jemand vom Hauspersonal ihre Geheimnisse verkauft hatte, aber viel mehr schockierte sie, daß Alex wütend genug gewesen war, ihre Post zu lesen. »Du glaubst doch nicht wirklich, daß ich fortgehe, oder?«
»Nein«, antwortete er sofort. »Weil ich dich eher umbringen würde.«
Cassie spürte, wie die Luft im Zimmer schwer wurde, bis sie ihr auf die Schläfen drückte und sie die Arme kaum mehr heben konnte. Sie wich an die Wand zurück. »Alex«, sagte sie leise. »Hör mir zu. Und sieh Connor an.« Sie streckte die Hand aus und berührte ihn am Arm. »Ich liebe dich«, sagte sie. »Ich bin mit dir zurückgekommen.«
»Verdammt noch mal«, explodierte Alex, und sein Blick wurde düster. »Diese Scheiße werde ich wohl nie mehr los! Ich könnte jeden Scheißpreis auf der ganzen Welt gewinnen, und sie würden uns trotzdem immer wieder mit Schmutz bewerfen. Es wird immer jemand geben, der sich das Baby viel genauer anschaut, als er sollte. Und es wird immer jemand geben, der dich hinter meinem Rücken Hure nennt.« Er packte Cassie an den Schultern und schleuderte sie zu Boden, fuhr sich dann mit den Fingern durchs Haar. »Das wäre alles nicht passiert, wenn du mich nicht verlassen hättest«, brüllte er, und noch während Cassie von ihm wegrollte, spürte sie, wie Alex ihr in die Seite und in den Rücken trat und mit den Fäusten auf ihre Schultern und ihren Kopf einschlug.
Als es vorüber war und Cassie die Augen wieder aufschlug, starrte sie durch das Gitter von Connors Ställchen. Das Baby kreischte, genau wie jeder Zentimeter ihres Körpers: ein rotes, leeres Brüllen. Connor blickte auf Cassie; auf seinen Vater, der weinend über Cassie hockte.
Als Alex sie berührte, richtete Cassie sich auf. Blut lief ihr aus dem rechten Ohr, und sie merkte, daß sie darauf taub war. Sie hob Connor aus seinem Ställchen, beruhigte ihn und flüsterte ihm die tröstenden Worte zu, die sie früher Alex zugeflüstert hatte. Sie starrte auf ihren Mann, der betrunken und
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