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Auf der Spur des Hexers

Auf der Spur des Hexers

Titel: Auf der Spur des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ein struppiger Schäferhund, der mitten auf der Straße schlief, hob träge den Kopf von den Pfoten und blinzelte ihn an, und aus dem Mietstall drang das verschlafene Wiehern eines Pferdes, das sich durch seine Schritte gestört fühlte. Aber all dies schien die Stille eher noch zu betonen, die sich über dem Ort ausgebreitet hatte.
    Andara blieb stehen, zog den Spazierstock unter dem Gürtel hervor und tastete mit dem Daumennagel nach der winzigen Schließe unter dem schweren Silberknauf. Ein helles Klicken ertönte, nur für ihn hörbar und eigentlich nicht mehr als das Fallen eines Eisenspanes auf Glas; trotzdem meinte er für einen Moment, den Laut wie einen Pistolenschuss von den Hauswänden widerhallen zu hören. Unsicher sah er sich um, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und drehte sich schließlich einmal im Kreis. Die Stadt lag wie ein Bollwerk aus Finsternis zu beiden Seiten der Straße, Berge schwarz geronnener Dunkelheit, zwischen denen noch tiefere Schatten nisteten. Andara versuchte sich mit Gewalt zur Ruhe zu zwingen. Er war nervös, und er hatte Angst, eine Mischung, die geradezu danach schrie, ihn Fehler begehen zu lassen.
    Er hatte keinen Beweis, dass Bob auch nur in Gefahr war. Möglicherweise war es sogar ein Fehler gewesen, hierher zurückzukehren. Der Anschlag hatte ihm gegolten, nicht Robert.
    Trotzdem begann sein Herz schnell und mit schmerzhafter Kraft zu schlagen, als er sich Maude Cravens Haus näherte. Es lag so still und unscheinbar hinter seinen verbrannten Blumenrabatten wie am Tage zuvor, die Läden und Fenster jetzt weit geöffnet, um die Kühle der Nacht eindringen zu lassen, in den Öffnungen dünne, an vielen Stellen geflickte Gazenetze wie trübe Membranen, die weiße Farbe seiner Wände hier und da schon abgeblättert, sodass es in der Dunkelheit wie mit hässlichen Pocken übersät aussah: ein Bild, das irgendwo zwischen Trostlosigkeit und Frieden schwankte. Und trotzdem kam es ihm plötzlich vor wie eine Gruft.
    Behutsam näherte er sich der Tür, streckte die Hand nach dem Knauf aus und zögerte noch einmal. Was, dachte er, wenn er sie erst jetzt auf Bobs Spur gebracht hatte? Was, wenn der Sinn dieser teuflischen Falle gerade das gewesen war, was er jetzt tat – ihn in Panik hierher zurückeilen zu lassen und seinen Sohn zu holen? Wenn er ihre Verschlagenheit unterschätzt hatte und …
    Wenn. Es waren zu viele Wenns in dieser Überlegung, als dass sie zu irgendetwas führen konnte. Wenn es so war, dann war die Falle längst zugeschnappt. Mit einer entschlossenen Bewegung drehte er sich wieder herum, drehte prüfend am Knauf der Tür und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass sie nicht verschlossen war. Es wäre kein Problem gewesen, in das Haus einzudringen, aber er hatte keine sonderliche Lust, von einem übereifrigen Deputy für einen Einbrecher gehalten und hinterrücks niedergeschossen zu werden.
    Im Haus war es sehr still, sehr kühl, und sehr dunkel.
    Und es stank.
    Andara blieb stehen, als wäre er vor eine unsichtbare Mauer geprallt. Es war der gleiche Geruch, den er draußen im Wald gerochen hatte – etwas wie Verwesung und Moder, aber eben nur ungefähr. Es war schlimmer. Weil es im Grunde nichts glich, was es auf dieser Welt gab.
    Sie waren hier.
    Sie waren hier gewesen und hatten Bob geholt, das wusste er, noch bevor er die kleine Diele durchquerte und die Schleimspur sah, die sich über den Boden auf die Schlafzimmertür zuzog.
    Sie war eingeschlagen worden. Irgend etwas hatte die Tür mit unvorstellbarer Gewalt getroffen und zermalmt, sodass der Rahmen und selbst ein Teil des Mauerwerkes herausgebrochen waren. Das Zimmer dahinter glich einem Trümmerhaufen: das kärgliche Mobiliar war zerschlagen, die Bettdecke zerrissen und die Kissen zerfetzt, weiße Daunenfedern waren wie flockiger Schnee im ganzen Zimmer verteilt. In den Pestgestank des Bösen mischte sich das warnende Aroma vergossenen Petroleums, die Wände mit hässlichen schwarzen Spritzern besudelt. Der Gestank war hier drinnen beinahe unerträglich.
    Andara zog mit der linken Hand ein Taschentuch aus der Jacke, presste es vor Mund und Nase und machte eine kurze, ruckhafte Bewegung mit der rechten. Sein Spazierstock polterte zu Boden, und unter dem wuchtigen Silberknauf blitzte jetzt die Klinge eines fast armlangen, beidseitig geschliffenen Rapiers. Angesichts der Verheerung, der dieser Raum anheim gefallen war, und dem, was es verursacht haben musste, eine jämmerliche Waffe; aber

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