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Auf der Spur des Hexers

Auf der Spur des Hexers

Titel: Auf der Spur des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Falls am Nachmittag verwundert haben musste: einen drahtig gebauten Mann in den schwer zu schätzenden Jahren zwischen dreißig und vierzig, mit dunklen, kurzgeschnittenen Haaren, einem vielleicht etwas zu vollen Mund und wachen Augen, die ihn zwar misstrauisch, aber nicht feindselig, anblickten. Seine Ohren waren eine Spur zu groß, um nicht aufzufallen. Der Anzug, den er trug, war sicher einmal sehr teuer gewesen, schien aber schon bessere Zeiten gesehen zu haben.
    »Wer sind Sie?«, fragte er noch einmal, und jetzt in weitaus schärferem Ton als zuvor.
    »Meine Freunde nennen mich kurz H.P.« Er lächelte. »Eine dumme Abkürzung, aber ich bin leider machtlos dagegen.« Er ging an Andara vorbei, bückte sich nach der Holzumhüllung seines Degens und hob sie auf. »Stecken Sie die Waffe weg, Andara. Ich versichere Ihnen, dass ich nicht ihr Feind bin. Ganz im Gegenteil. Sie und ich haben … gemeinsame Interessen, wenn ich es so ausdrücken darf. Enorme gemeinsame Interessen.«
    »Was zum Teufel soll das?« fauchte Andara, riss H.P. den Stock aus der Hand und setzte dazu an, die Klinge wieder in ihr Versteck zu schieben, führte die Bewegung aber nicht zu Ende. »Wie kommen Sie hierher?«, fragte er.
    H.P. seufzte. »Eine berechtigte Frage, Mister Andara. Leider ist sie rascher gestellt als beantwortet. Genau genommen würde eine erschöpfende Antwort mehr Zeit in Anspruch nehmen, als uns angesichts der äußeren Umstände zur Verfügung steht.« Er deutete mit einer Kopfbewegung in das verwüstete Schlafzimmer. »Es dürfte uns schwerfallen, unsere Unschuld zu beweisen, wenn man das da entdeckt und uns aufgreift. Ich schlage vor, wir verlassen diesen Ort auf dem schnellsten Wege.«
    Andara starrte ihn an. »Sie wissen nicht, was Sie reden, Mann«, sagte er wütend. »Ich muss –«
    »Ich fürchte«, unterbrach ihn H.P. mit leicht erhobener Stimme, »ich weiß es nur zu gut. Ihr Sohn ist verschwunden, Mister Andara. Genau genommen wurde er zusammen mit seiner Pflegemutter entführt, ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, an dem Sie draußen im Wald jenem heimtückischen Anschlag entgingen. Und ich versichere Ihnen, dass es hier und jetzt absolut nichts gibt, was Sie für Ihren Sohn tun könnten, mein lieber Andara.«
    »Woher … woher wissen Sie das alles?«, fragte Andara. Seine Stimme bebte. »Wer sind Sie, zum Teufel? Antworten Sie!«
    »Das zu erklären kostet leider mehr Zeit, als uns im Augenblick zur Verfügung steht«, antwortete H.P. bedauernd.
    »Ich könnte Sie zwingen«, sagte Andara drohend.
    »Sind Sie sicher?« H.P. lächelte noch immer, aber in seinem Blick war plötzlich etwas Neues; eine Gewissheit und Stärke, die Andara bisher nur bei sehr wenigen Menschen gesehen hatte. »Haben Sie schon vergessen, dass ich Ihnen sagte, ich kenne Sie?«
    »Vielleicht nicht gut genug«, sagte Andara drohend. Sein Blick fixierte den des anderen, versuchte ihn zu bannen und festzuhalten, aber H.P.s Lächeln wurde eher noch kälter.
    »Sie sind Roderick Andara«, sagte er. »Der Mann, der sich selbst den Hexer nennt, freilich nur während seiner Auftritte im Variete und auf Jahrmärkten oder sonstigen Volksbelustigungen. Ein Taschenspieler. Ein Gaukler. Wenigstens ist es das, was die anderen denken sollen, nicht wahr?« Er lachte leise. »In Wahrheit sind Sie weit mehr als ein Bühnenzauberer, Andara. Sie sind ein Hexer, im ureigensten Sinne des Wortes. Sie können mit dem freien Willen von Menschen spielen wie andere mit Puppen. Sie vermögen das Wetter zu beeinflussen, Flüche auszusprechen und zu bannen und noch viel mehr. Und wahrscheinlich könnten Sie mich zwingen, Ihnen alles zu erzählen, was ich weiß. Aber das ist gar nicht nötig. Wie gesagt, ich bin nicht Ihr Feind, Andara. Ganz im Gegenteil. Sie und ich kämpfen gegen dieselben Leute, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Ich kann Ihnen helfen. Und Sie mir.«
    »Helfen?« Andara blickte H.P. mit einer Mischung aus Misstrauen und Verachtung an. »Wie sollten Sie mir wohl helfen können, Mister wie-immer-Sie-heißen-mögen?«
    H.P. sah ihn an, seufzte tief, trat wieder einen Schritt zurück und zog einen dünnen, schwarzen Zigarillo aus der Westentasche. Ohne die mindeste Eile riss er ein Streichholz an – wobei er sorgsam darauf achtete, die Flamme zur Tür hin mit der Hand abzuschirmen – setzte den Tabak in Brand und inhalierte den Rauch. »Eine gute Frage, Andara«, sagte er. »Ich will Sie Ihnen gerne beantworten. Ich könnte Ihnen zum Beispiel

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