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Auf der Spur des Hexers

Auf der Spur des Hexers

Titel: Auf der Spur des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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finden, von denen sich die früheren Bewohner dieses Zimmers nicht einmal hätten träumen lassen.
    Andara setzte sich wieder auf das Bett, schloss die Augen, presste beide Hände gegen die Schläfen und konzentrierte sich.
    Im ersten Moment spürte er nichts, nichts außer einer fast körperlichen Ahnung von Gewalt, die sich wie ein übler Geruch in diesem Raum festgesetzt hatte, ein Miasma des Bösen, das nicht erst seit wenigen Tagen, sondern seit langer Zeit auf dieses Haus eingewirkt hatte. Dann …
    Selbst Andara konnte es nicht in Worte fassen, denn wie vieles, so benutzte er auch diese geheimnisvolle Kraft zwar, ohne sie indes wirklich zu verstehen – aber plötzlich hatte er das heftige Empfinden, dass da etwas war, vor und unter ihm und …
    Er öffnete die Augen, beugte sich hinab und tastete mit den Fingerspitzen über den Boden. Eines der Bretter war lose. Er hob es heraus, ließ sich auf die Knie herabsinken und nahm ein kleines, erstaunlich schweres Bündel aus der schmalen Vertiefung, das darunter zum Vorschein kam. Noch bevor er die weißen Tücher öffnete, in die es eingeschlagen war, wusste er, was es enthielt.
    Es war eine der grünen Kristallscheiben, wie H.P. sie ihm in Walnut Falls gezeigt hatte, ein wenig kleiner und von anderer Form und glatt wie Glas, ohne irgendwelche hineingeritzten Botschaften. Dafür spürte Andara die fast körperliche Bosheit, die ungeheure Drohung, die dieses Stück irisierenden Kristalls ausstrahlte. Beinahe hastig legte er es wieder zurück, beugte sich noch einmal vor und gewahrte einen schmalen weißen Briefumschlag, der darunter gelegen hatte. Er öffnete ihn, faltete das halbe Dutzend Blätter auseinander, das er enthielt, und stellte zu seiner Enttäuschung fest, dass es keine neuerliche Nachricht H.P.s war, sondern engbekritzelte Blätter in einer kaum zu entziffernden Handschrift.
    Aber sie kam ihm bekannt vor, und nach einem Moment des Überlegens wusste er auch, woher: Es war die gleiche fahrige Schrift, in der die Notizen abgefasst waren, an denen Henry gearbeitet hatte, die seine oder die des Professors. Andara erinnerte sich, dass augenscheinlich einige Seiten davon gefehlt hatten.
    Neugierig geworden, hielt er sie ins Licht und versuchte mit eng zusammengepressten Augen, die krakelige Schrift zu entziffern.
    Im ersten Moment war er abermals enttäuscht, denn es schien sich um das gleiche, sinnlose Gekritzel zu handeln, das er auch in der Universität vorgefunden hatte, aber dann las er weiter, und was er entziffern konnte, erfüllte ihn mit einer mit jedem Wort wachsenden Beunruhigung.
    Das meiste ergab noch immer keinen Sinn, aber da waren Andeutungen von dem Tag, der nun bald heranrücke, und Den Wesen Aus Dem Meer, die schreckliche Gestalt annähmen, je weiter sich der Mond fülle, und mehrere Andeutungen, dass es sich zu wiederholen scheine, so unbarmherzig, wie es den Professor getroffen habe. Mehr als einmal stieß er auf den Namen Carson, und mehrmals war die Rede von Dingen, die des Nachts umgingen und nur in den Schatten sichtbar, aber von tödlicher Realität seien. Gegen Ende schließlich wurde der Text immer verworrener, bis er schließlich wirklich nichts weiter als das Gekrakel eines Verrückten war.
    Oder eines Mannes, der vor Angst halb wahnsinnig war, dachte Andara beunruhigt.
    Sorgfältig faltete er die Blätter wieder zusammen, verstaute sie in ihrem Umschlag und diesen in seiner Rocktasche, dann legte er die Kristallscheibe an ihren Platz zurück und fügte auch das Bodenbrett wieder ein. Schließlich löschte er die Lampe und verließ das Zimmer wieder; nicht, ohne die teuflische Falle wieder in Kraft zu setzen, die wohl doch nicht von H.P. stammte, sondern wohl eher ganz speziell für ihn aufgestellt war.
    Aber er ging auch jetzt nicht in sein Zimmer zurück, sondern an dessen Tür vorbei auf die Treppe zu. Obwohl die Dunkelheit vor den Fenstern bereits zu weichen begann, war es noch sehr früh, denn es war Hochsommer, und Miss Lugosi schlief sicher noch. Er hatte nicht vor, sie zu wecken, wohl aber, die Zeit zu nutzen, sich unbemerkt im verbotenen oberen Stockwerk des Hauses umzusehen – und Miss Lugosi einige reichlich unangenehme Fragen zu stellen, sobald sie wach wurde.
    Sehr leise schlich er die Treppe hinauf, blieb auf der obersten Stufe stehen und sah sich um. Im schwachen Dämmerlicht war seine Umgebung nur schemenhaft zu erkennen – aber doch wieder deutlich genug, ihn die drei Türen auf der rechten und die vierte auf

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