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Auf der Spur des Hexers

Auf der Spur des Hexers

Titel: Auf der Spur des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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taumelte aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Das Haus begann vor seinen Augen zu verschwimmen, während er sich auf die Tür seines Zimmers zuschleppte. Ein bitterer Geschmack wie nach Kupfer war in seinem Mund. Ihm wurde übel. Als er sich auf sein Bett fallen ließ, begann sich die Welt um ihn herum zu drehen. Nur noch mit allerletzter Willenskraft gelang es ihm, die Bewusstlosigkeit zurückzudrängen, die sich seiner bemächtigen wollte. Und wahrscheinlich wäre ihm nicht einmal das gelungen, wäre da nicht das sichere Wissen gewesen, dass er die Augen nie wieder öffnen würde, wenn er sie jetzt schloss.
    Aber auch so versank er in eine Art Trance, einen Dämmerzustand auf der schmalen Scheide zwischen Wachsein und Schlaf, in dem er zwar alles wahrnahm und registrierte, was rings um und mit ihm geschah, aber unfähig gewesen wäre, darauf zu reagieren. Vor dem Fenster zogen die Dämmerung und schließlich der Morgen empor, aber Andara lag weiter reglos da, die blutigen Hände flach neben sich ausgestreckt, mit weit geöffneten, starren Augen die Decke anstarrend, an der sich langsam ein zweiter, dunklerer Fleck neben dem schon bekannten bildete.
    Es wurde Mittag, bis er aus dieser Starre erwachte. Der schlechte Geschmack in seinem Mund war noch immer da, und zwischen seinen Schläfen raste ein quälender Kopfschmerz, der seine Ursachen aber wohl eher in seelischer denn körperlicher Ursache hatte. Seine Hände brannten.
    Vorsichtig setzte er sich auf, schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, Übelkeit und Schmerzen aus seinem Schädel zu verdrängen. Dann hob er langsam die Hände vor das Gesicht und betrachtete sie.
    Die beiden tiefen, bis auf den Knochen hinab reichenden Schnitte waren nicht mehr da. Statt dessen gewahrte er jetzt nur noch zwei dünne, gezackte weiße Linien, wie mehrere Jahre alte Narben. Und auch sie würden in wenigen Tagen verschwunden sein, wenn er ein wenig vorsichtig war. Seine Hände taten noch weh, und die Haut spannte, wenn er sie zu Fäusten schloss, aber das war eine vernachlässigbare Lapalie.
    Trotzdem machte sich Andara nichts vor. Er hatte Glück gehabt. Der eingetrockneten rotbraunen Spur auf dem Boden und dem Aussehen seines Bettzeugs nach zu schließen, musste er sehr viel Blut verloren haben; wenige Augenblicke später, und er wäre rettungslos verloren gewesen, denn selbst seinen an sich erstaunlichen Fähigkeiten und Kenntnissen waren Grenzen gesetzt.
    Und auch den Kampf gegen das grässliche Ungeheuer, das ihn in der Maske Miss Lugosis angesprungen hatte, hatte er wohl mehr durch Zufall als aus irgendeinem anderen Grund gewonnen. Selbst eine so absurde Kreatur wie sie konnte schwerlich damit rechnen, dass er mit bloßen Händen in ein Messer griff. Er hatte sie überrumpelt, mehr nicht. Das nächste Mal konnte er nicht auf ein derart unverschämtes Glück rechnen.
    Und wenn er überhaupt noch eine Chance haben wollte, lebend aus dieser Geschichte herauszukommen – ganz zu schweigen davon, etwa H.P. zu finden –, dann musste er schnell handeln.
    Er stand auf, wusch sich, wechselte seine Kleider und klappte seinen Koffer auf, um einige Gegenstände an sich zu nehmen, die ihm bei seinem Vorhaben von Nutzen sein mochten. Dann verließ er sein Zimmer und ging abermals in den schrecklichen Raum im ersten Stock hinauf. Für einen ganz kurzen Moment klammerte er sich an die aberwitzige Hoffnung, dass alles nichts als ein böser Traum gewesen sein mochte.
    Aber das war es nicht.
    Alles war unverändert, als er die Tür öffnete. Der Bottich mit seinem widerwärtigen Inhalt war noch da, und auch der erkaltete Kadaver des Tiefen Wesens lag an der gleichen Stelle, an der er zusammengebrochen war, als ihn die Degenklinge durchbohrte.
    Langsam, mit aller Macht gegen den Widerwillen ankämpfend, mit dem ihn der Anblick des entsetzlichen Wesens erfüllte, näherte er sich dem Kadaver, kniete einen halben Schritt daneben nieder und betrachtete ihn, so eingehend, wie es ihm angesichts des Ekels möglich war, mit dem ihn der Anblick erfüllte. Es war nicht jene Art von Widerwillen, die einen beim Anblick eines ekelhaften Tieres überfiel, oder eines besonders missgestalteten oder verstümmelten Menschen, sondern ein Gefühl niemals gekannter Stärke, das mit rationalen Gründen nicht mehr zu erklären war. Irgend etwas tief in dem Teil von ihm, der einfach Mensch und sonst nichts war, sträubte sich mit aller Macht dagegen, das Ding auch nur anzusehen, und vielleicht war es in

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