Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
und Supernova-Nukleosynthese plausible Erklärungen zur Produktion der CNO-Elemente in den ersten Sternen.
Wie sieht es mit den anderen Elementen aus? Lithium wird beim Aufblähen zum Roten Riesen in tieferen Schichten im Stern selbst wieder zerstört (siehe auch Kapitel 9.4), so dass es in Sternen wie HE 0107–5240 nicht mehr in messbaren Mengen vorhanden ist. Da HE 1327–2326 sich noch vor der Roten-Riesen-Phase befindet, wurde angenommen, dass Lithium in diesem Stern detektierbar sei. Mit seiner niedrigen Eisenhäufigkeit wäre HE 1327–2326 der ideale Kandidat, um eine Messung des primordialen Lithiumwerts zu erhalten. Zur großen Überraschung konnte die Doppellinie des Lithiums im Spektrum aber nicht detektiert werden. In diesem Fall war also keine ungewöhnliche Überhäufigkeit eines Elements gefunden worden, sondern ein großes Defizit. Eine überzeugende Erklärung für das Fehlen von Lithium in diesem Stern hat es bisher nicht gegeben. Es bleibt also spannend – in diesem Sinne ist es interessant, dass inzwischen ein weiterer Stern, SDSS J102915+172927, mit [Fe/H] = –4,8 gefunden wurde, der entgegen allen Erwartungen auch kein detektierbares Lithium zeigt. Wenigstens kann nun spekuliert werden, dass Lithium in den eisenärmsten Sternen vielleicht durch ganz besondere Prozesse im Sterninneren schon vor der Riesenastphase zerstört wird.
Schließlich enthält HE 1327–2326 überraschenderweise das Neutroneneinfangelement Strontium. Es ist in 15 Mal größerer Menge als Eisen anzufinden. Woher eine so große Menge Strontium stammt, ist bislang ungeklärt. Eine spezielle Art von Supernovae war wahrscheinlich vonnöten, die eventuell nur im frühen Universum auftrat. In HE 0107–5240 konnte im Vergleich dazu kein Strontium gemessen werden, woraus geschlossen werden kann, dass dessen Häufigkeit in diesem Stern wesentlich geringer sein muss.
Neben den zwei Sternen mit [Fe/H] < –5,0 wissen wir inzwischen von noch zwei weiteren Sternen mit [Fe/H] = –4,8. Wie sehen nun deren Häufigkeiten aus? Haben sie auch so wilde, individuelle Elementmuster, die andeuten, dass die chemische Entwicklung noch in den Kinderschuhen steckte und noch nicht ihren normalen Verlauf genommen hatte? Die Antwort ist ja und nein. Denn einer dieser Sterne, HE 0557–4840, ist HE 1327–2326 und HE 0107–5240 zumindest mit seiner Kohlenstoffüberhäufigkeit sehr ähnlich. Ansonsten ist er aber weniger auffällig, und die meisten anderen Elementhäufigkeitsverhältnisse gleichen denen der Sterne mit [Fe/H] > –4,0. Der andere Stern, SDSS J102915+172927, weist hingegen Häufigkeitsverhältnisse auf wie jeder andere normale metallarme Stern. Auf den ersten Blick ist dies ziemlich langweilig, die Schlussfolgerung ist aber interessant: Zwischen [Fe/H] = –5,0 und –4,5 muss ein Übergang zu den normaleren Häufigkeitsverhältnissen stattgefunden haben, der den Übergang von der zweiten zu den folgenden Sterngenerationen andeutet.
Sterne mit höheren Metallizitäten haben meist das reguläre Halostern-Muster, wenn es auch offensichtlich Sonderfälle gibt, wie in Kapitel 9.2 beschrieben wird. Unter den Sternen mit den niedrigsten Eisenwerten gibt es bisher keine Normalfälle, sondern nur Ausnahmen. Anders gesagt, die metallärmsten Sterne lehren uns, dass das ganz frühe Universum noch inhomogen war und sich wohl noch in einem wenig durchmischten Zustand befand. Deswegen wurden HE 0107–5240 und HE 1327–2326 sofort nach ihren Entdeckungen zu begehrten Testobjekten. Sie eignen sich hervorragend, um Theorien zur Stern- und Galaxienentwicklung zu überprüfen und Antworten auf viele kosmologische Fragestellungen zu finden.
Aus der Tatsache ihrer Existenz ergibt sich weiterhin sofort die wichtigste Frage der Stellaren Archäologie: Können diese Ausnahme-Häufigkeitsmuster auf die chemische Anreicherung der Geburtswolke zurückgeführt werden, die durch nur einen einzigen der ersten Population-III-Sterne verursacht wurde? Um die Herkunft dieser außergewöhnlichen Muster zu erklären, wurden verschiedene Modelle für die Supernovaexplosionen von Population-III-Sternen entwickelt. So können die Nukleosyntheseprodukte abgeschätzt werden, die für die beobachteten Häufigkeitsmuster verantwortlich gemacht werden. Ziel ist es dabei vor allem, die beobachteten unterschiedlichen Werte für Eisen und Kohlenstoff in den beiden Sternen mit den Modellen zu reproduzieren. Denn so große Mengen Kohlenstoff und gleichzeitig so wenig Eisen
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