Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Spektren mit einer mittleren Auflösung von Sternen mit verschiedenen Kohlenstoffhäufigkeiten. Die Spektren wurden mit dem 2,3 m-Teleskop am Siding Spring-Observatorium aufgenommen. Die Ordinate gibt die Photonen-Counts des jeweiligen Spektrums an.
Bei der Arbeit mit metallarmen Sternen fällt deswegen eines schnell auf: Kohlenstoffüberhäufigkeiten tauchen in allen Untergruppen und in allen möglichen Kombinationen von Elementmustern auf. Etwa 20% der Sterne mit [Fe/H] < –2 haben zehnmal mehr Kohlenstoff als Eisen, also [C/Fe] > 1. Dies ist wesentlich höher als das, was die meisten normalen metallarmen Population-II-Sterne im Halo der Milchstraße zeigen. Darüber hinaus haben unzählige Sterne geringere Kohlenstoffüberhäufigkeiten von [C/Fe] = 0,5 bis 1,0. Weiterhin steigt der Anteil dieser kohlenstoffreichen Sterne mit absteigender Metallizität an: Die Chance, dass einer der metallärmsten Sterne kohlenstoffreich ist, ist dementsprechend groß. Drei der vier bekannten metallärmsten Sterne mit den niedrigsten Eisenwerten sind vergleichsweise extrem kohlenstoffreich.
Eine wichtige Frage bleibt aber, wo dieser Kohlenstoff denn nun herkommt. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wurde er der Gaswolke zugesetzt, bevor die metallarmen Sterne gebildet werden konnten, oder der Stern erhielt den Kohlenstoff zu einem späteren Zeitpunkt von einem Begleitstern in einem Doppelsternsystem durch Massentransfer. Wie in Kapitel 5 erläutert, erklärt die zweite Idee die Entstehung der kohlenstoffreichen s-Prozess-Sterne. Die Anreicherung der Geburtsgaswolke ist wahrscheinlich die beste Erklärung für die Gruppe von kohlenstoffreichen metallarmen Sternen, deren Elementhäufigkeitsmuster in allen Elementen außer Kohlenstoff dem eines ganz normalen Halomusters entspricht.
Im frühen Universum muss Kohlenstoff also viel in den Population-III-Sternen produziert worden sein. Der auffallende Kohlenstoffreichtum besonders unter den metallärmsten Sternen deutet auf eine spezielle Rolle des Kohlenstoffs im frühen Universum hin. Sicher ist, dass das Element mit seinen Kühlungseffekten einen wichtigen Beitrag zur Entstehung der ersten massearmen Sterne im Universum geliefert hat. Wenn auch die Details noch nicht ausreichend verstanden sind, ermöglichen uns die kohlenstoffreichen Sterne doch, viele Aspekte der Anreicherungsprozesse des interstellaren Mediums und generell der Kohlenstoffnukleosynthese in massereichen Sternen der frühesten Generationen zu studieren.
Der Ursprung der Kohlenstoffüberhäufigkeiten in Sternen mit [Fe/H] < –3,0 ist nach wie vor ein aktuelles Forschungsthema. Im Jahr 2005 nahm ich deswegen an einer Konferenz teil, bei der während der gesamten Woche nur über die Rolle von Kohlenstoff im frühen Universum diskutiert wurde.
Sterne mit besonderen [α/Fe]-Überhäufigkeiten
Einige Sterne zeigen ungewöhnlich hohe Magnesium- und Siliziumhäufigkeiten, die die normalen Halowerte von [α/Fe] = 0,4 weit überschreiten. Bemerkenswerterweise tritt dieses Verhalten meist in Kombination mit einer Kohlenstoffüberhäufigkeit auf. Diese Tatsache hilft sowohl die Kohlenstoffproduktion im Verhältnis zu anderen Elementen als auch die der einzelnen α-Elemente untereinander besser zu verstehen.
Sterne mit Überhäufigkeiten von Neutroneneinfangelementen
Eine Reihe von metallarmen Sternen mit [Fe/H] < –2,0 zeigt riesige Überhäufigkeiten an Neutroneneinfangelementen, die im r-Prozess oder im s-Prozess erzeugt wurden und in Kapitel 5 genauer beschrieben wurden. Darüber hinaus gibt es Sterne, deren Neutroneneinfangelemente sowohl in einem r- als auch einem s-Prozess erzeugt wurden. Die Anreicherung, die diesen Sternen vorausging, ist dadurch besonders schwierig mit Modellrechnungen zu charakterisieren.
Einen Kohlenstoffreichtum gibt es gelegentlich auch bei diesen Sternen. Im Zusammenhang mit dem s-Prozess kann der Kohlenstoffreichtum einfach nachvollzogen werden: Wenn s-Prozess-Elemente in einem Riesenstern an die Oberfläche gespült werden, werden gleichzeitig auch größere Mengen an Kohlenstoff aus dem Inneren nach außen transportiert und dann an den Begleitstern übertragen. Taucht Kohlenstoff aber z.B. zusammen mit einer r-Prozess-Anreicherung auf, ist der Ursprung des Kohlenstoffs unklar und unerklärt. Die plausibelste Lösung ist, dass der Kohlenstoff von einem Stern der vorherigen Generation stammen muss, aber nicht unbedingt auch aus der Supernova, in der der r-Prozess ablief –
Weitere Kostenlose Bücher