Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Physik sollte es für Kernteilchen eigentlich keine Möglichkeit geben, die stark bindende Kernkraft zu überwinden und den Atomkern zu verlassen. Genauso wenig sollte es möglich sein, dass zwei Protonen bei stellaren Temperaturen ihre gegenseitige elektrische Abstoßung überwinden und zu einem neuen Atomkern fusionieren. Die Erklärung für diese Prozesse liefert der quantenmechanische Tunneleffekt, der von dem deutschen Physiker Friedrich Hund 1927 zum ersten Mal beschrieben wurde. Dieser Effekt benennt die nicht vernachlässigbare Wahrscheinlichkeit, dass ein Kernteilchen aufgrund der Heisenberg’schen Unschärfe eine Barriere aus abstoßenden Kräften trotz zu geringer Energie überwinden oder eben durchtunneln kann. Gamow erklärte mit diesem Effekt zunächst den radioaktiven α-Zerfall, d.h. wie ein Kernteilchen die starke Anziehung der Kernkraft überwinden kann. Später benutzten Gamow und Max Born unabhängig voneinander den Tunneleffekt, um die Fusion zweier Protonen bei niedrigen Energien zu erklären.
Auf Gamows Anraten wandten der deutsche Physiker Fritz Houtermans und der Brite Robert Atkins 1929 den Tunneleffekt auf die stellare Energieproduktion an. Sie zeigten kurzerhand, dass Eddington mit seinen Ideen zur Kernfusion als Energiequelle recht gehabt haben musste. Gemäß ihrer Arbeit würden schon Temperaturen von »nur« 40 Millionen Grad ausreichen, um mittels des Tunneleffekts gelegentlich Kernfusionsreaktionen zu ermöglichen. Die modernen Werte hierfür liegen sogar bei nur einigen Millionen Grad.
Ohne zu wissen, welche Reaktionen in Sternen ablaufen können, berechneten sie Reaktionsraten für Fusionen von einer ganzen Reihe von Kernen. Sie fanden dabei allerdings heraus, dass nur wenn Wasserstoff in den Reaktionen mitbeteiligt war, genügend Energie freigesetzt werden konnte. Damit war eines klar: Kernfusionen spielten sich in Sternen ab und sorgten so für ausreichend Energie, um sie über lange Zeiträume hinweg strahlen zu lassen. Dennoch waren noch viele Details unbekannt, wie z.B. Antworten auf Fragen, welche Reaktionen sich tatsächlich abspielten, wie viel Energie sie produzierten und wie genau Helium aus zwei Protonen fusioniert werden könnte.
Diese offenen Fragen wurden erst Jahre später wieder von neuem gestellt. Deutschland hatte aufgrund des Aufstiegs des Nationalsozialismus viele seiner besten Wissenschaftler an andere Länder wie die USA verloren. Die USA entwickelten sich daher schnell zu einem neuen Zentrum der Wissenschaften. Dennoch hatten die Geschehnisse in Europa den wissenschaftlichen Fortschritt verlangsamt und die Weiterentwicklung vieler Ideen erschwert.
Der junge in Deutschland gebliebene Physiker Carl-Friedrich von Weizsäcker hatte großes Interesse an den nuklearen Prozessen im Sterninneren und generell an den Bindungsenergien von Atomkernen. Mit der Entdeckung von Protonen und Neutronen, also den Bestandteilen eines Atomkerns, und dem Wissen um den Tunneleffekt konnten endlich Berechnungen zu Bindungsenergien von den verschiedensten Atomkernen angefertigt werden. Seine Arbeiten auf diesem Gebiet führten bald zu fundamentalen Erkenntnissen. 1938 veröffentlichte er die ersten detaillierten Berechnungen zur Energieproduktion durch die Fusion von Wasserstoff zu Helium im sogenannten Kohlenstoff(-Stickstoff-Sauerstoff)-Zyklus (CNO-Zyklus), in dem die schwereren Elemente als Katalysatoren wirken. Mit Hilfe des CNO-Zyklus war es von Weizsäcker gelungen, das Problem zu umgehen, dass eine direkte Fusion zweier Protonen zu einem Zweiprotonenkern ohne Neutronen nicht möglich ist. Aufgrund der hohen gegenseitigen Abstoßung der Protonen würde ein Zweiprotonenkern sofort wieder in zwei einzelne Protonen zerfallen.
Unabhängig von von Weizsäckers Arbeiten war auch der Kernphysiker Hans Bethe an der Energiequelle der Sterne interessiert. Zusammen mit einem Studenten, Charles Critchfield, begann Bethe 1939 an möglichen Fusionsmechanismen zu arbeiten. Er schlug vor, dass eines der Protonen während der Fusion durch einen β-Zerfall in ein Neutron umgewandelt wird. Dadurch ergibt sich Deuterium (»Schwerer Wasserstoff«, ein Kern mit einem Proton und einem Neutron) und nicht ein Zweiprotonenkern als ein erstes Zwischenprodukt in einer ganzen Kette von Reaktionen, die letztendlich zu Heliumbildung führen. So war es ihm möglich, die Proton-Proton (p-p)-Kette zu beschreiben, in der auch Wasserstoff zu Helium fusioniert werden kann.
Nach der quantenmechanischen
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