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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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es gelten immer noch die Faktoren »Zufall« und »freier Wille«.
    In gewisser Hinsicht beantwortet der Faktor »Zufall« auch die Frage, ob es den perfekten Mord gibt. Nein, es gibt ihn nicht – höchstens in Kriminalromanen. Selbst wenn zwei hochintelligente Jurastudenten ihre Tat über sieben Monate genauestens planen, können sie auffliegen, nur weil ein kleiner Zufall – in Form einer unscheinbaren Hornbrille – die Ermittler auf die richtige Spur führt. Ebenso gut aber kann ein ungeplanter Mord unaufgeklärt bleiben, nur weil der Zufall dafür sorgt, dass die entscheidenden Hinweise nie gefunden werden.
Das Ende der Geschichte von »Leopold und Loeb«
    Der Anwalt der jungen Männer schaffte es sprichwörtlich, ihren Hals aus der Schlinge zu ziehen; sie wurden wegen Mord und Entführung »nur« zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Im Gefängnis – sie kamen zu ihrer großen Freude in dasselbe – bildeten sie sich weiter und bauten eine Schuleinrichtung für Gefangene auf, wo sie auch selbst Unterricht gaben. So konnten sie sich selbst in der Haft durch ihre Intelligenz über die anderen stellen.
    Nachdem Nathan und Richard zwölf gemeinsame Jahre im Gefängnis – allerdings in verschiedenen Zellen – verbracht hatten, wurde Richard im Alter von dreißig Jahren von einem Mitgefangenen getötet. Der Täter gab an, Richard habe unter der Dusche versucht, ihm sich auf »homosexuelle Weise« zu nähern, was ihn zum Ausrasten gebracht hätte. Er tötete Richard mit einem Rasiermesser. Nathan wurde erlaubt, Richards Leiche noch im Gefängnis zu sehen. In einem Buch, das er später schrieb, erzählte er: »Wir bedeckten ihn mit einem Bettlaken. Nach einem Moment zog ich das Bettlaken von seinem Gesicht wieder zurück und setzte mich auf einen Stuhl neben den Tisch, auf dem er lag. Ich wollte einen letzten, langen Blick auf ihn werfen. Nun, so seltsam das auch klingen mag, er ist mein bester Freund gewesen.«

Nachwort
    Der Schatten ist alles das,
    was du auch bist,
    aber auf keinen Fall sein willst.

    (C. G. Jung)
    Wir sind am Ende der Reise durch die Welt der Dunkelheit und des Lichts angekommen, durch die unscharfe Nebelwand zwischen den »guten« Gefühlen, Gedanken und Handlungen – und den »bösen«, die jeder Mensch in sich trägt. Wir alle nehmen unsere »hellen Seiten«, die wir mögen und auf die wir stolz sind, meist stärker wahr als unsere »düsteren«, für die wir uns schämen, die uns vielleicht sogar Angst machen. Der Psychiater und Begründer der Analytischen Psychologie, Carl Gustav Jung, beschäftigte sich als einer der Ersten mit ihnen. Jung fasste all diese »dunklen Anteile unserer selbst« zusammen und nannte sie den »Schatten«. Sein Interesse dafür hing sicher auch damit zusammen, dass sein eigener »Schatten« ihn mindestens einmal in ernste Schwierigkeiten brachte.
    Diese kamen im Briefwechsel mit seinem damaligen Freund und Mentor Sigmund Freud ans Licht. Peinlich berührt gestand der 31-jährige Ehemann und Familienvater Jung, eine Affäre mit seiner zehn Jahre jüngeren Patientin Sabina Spielrein begonnen zu haben. Freud wies den von der Leidenschaft seines »Schattens« buchstäblich überwältigten Jung väterlich zurecht und bestand darauf, diese »therapeutische Grenzverletzung« müsse ein Ende haben. Wegen Jungs Affäre führte Freud eine bis heute gültige Regel für Psychoanalytiker ein: Bevor sie mit Patienten arbeiten dürfen, müssen sie selbst als »Analysanden« eine Psychoanalyse durchlaufen haben. Darin müssen sie sich ihren eigenen »Schatten« stellen und mit diesen bewusst umgehen lernen.

    Die Konstellation Jung, Spielrein, Freud führte zur Entdeckung des »Schattens« in der Psychologie.
Schatten ziehen Schatten an
– Wenn Gemeinsamkeiten Unterschiede überwinden
    Jungs »Schatten« spielt auch bei »Dexter« eine tragende Rolle. Ich schaute die Folgen der Serie nach und nach, während ich an diesem Buch arbeitete. Als ich mit der zweiten Staffel begann, hatte ich gerade die Interviews mit meinen psychopathischen Gesprächspartnern abgeschlossen. Sehr bald musste ich über diese zeitliche Koinzidenz innerlich lachen.
    Meinen Interviewpartner Alexander hatte ich unter anderem deswegen näher kennengelernt, weil wir uns über unser gemeinsames Interesse für die »Borderline-Störung« und seine Partnerschaft mit einer Borderlinerin ausgetauscht hatten. Später erfuhr ich auch von anderen mittelgradig psychopathischen Interviewpartnern wie Christian,

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