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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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darauf berichteten Studenten, die mit Nathan in einer Arbeitsgruppe waren, dass er nicht nur die der Polizei zur Verfügung gestellte Schreibmaschine besessen habe. Er habe einige Male ein tragbares Modell mitgebracht, mit dem er auch Unterlagen für seine Mitstudenten getippt habe. Diese Unterlagen wurden von der Polizei untersucht. Das war der Untergang des genialen, aber eben doch nicht perfekten Verbrecherduos.
Ein sinnloses, nutzloses, zielloses, motivloses Verbrechen?
    Das Lügengebäude von Nathan und Richard stürzt ein. Nathan behauptet, er habe zwar mal in der Uni auf einer tragbaren Schreibmaschine getippt, aber die besitze er längst nicht mehr. In seinem Haus kann die Polizei diese Maschine auch nicht finden, doch ein Hausmädchen bestätigt, ein solches Modell vor einiger Zeit gesehen zu haben.
    Das Umfeld der jungen Männer wird befragt. Der Chauffeur von Nathans Familie sagt aus, die Jungs hätten am Tattag gar nicht mit dem Familienwagen unterwegs sein können, weil er selbst den Wagen mehrmals in der Garage gesehen habe. Das Auto sei den ganzen Tag dort gewesen.
    Als Richard mit dieser Aussage konfrontiert wird, zeigt er erstmals seit Beginn der Verhöre eine echte Gefühlsreaktion. Er wird blass und verlangt, mit dem ermittelnden Staatsanwalt zu sprechen. Der hört sich die neue Geschichte des jungen Mannes an. Inhaltlich kann er sie verstehen, doch das lässt das Tatmotiv für einen normalen Menschen wie ihn nicht wirklich nachvollziehbarer erscheinen. Selbst der erfahrene Strafverfolger ist schockiert, mit welcher Kaltblütigkeit Richard alle Details preisgibt: Wie die beiden auf den Gedanken gekommen sind, ihre »Langeweile« mit einem »kleinen Spiel« zu vertreiben – mit einem perfekten Verbrechen. Wie sie zunächst daran gedacht haben, einen ihrer eigenen Brüder oder Väter auf diese Weise zu töten. Wie sie dann doch von dieser Idee abgekommen sind, weil die Verbindung zu ihnen beiden bei den anschließenden Ermittlungen zu eng gewesen wäre.
    Als Nathan erfährt, dass Richard gestanden hat, tut er dies auch. Der anschließende Prozess wird zum absoluten Medienspektakel. Die Geschichte ist so haarsträubend unglaublich, dass Bürger, Reporter, Ermittler, Gutachter und Juristen gleichermaßen entsetzt und fassungslos sind. Die reichen, angesehenen Familien der jungen Männer schämen sich buchstäblich zu Tode. Beide Väter sterben kurz nach Ende des Prozesses an Herzversagen. Die Geschwister ziehen weg und ändern ihre Namen. Zahlreiche Psychiater sprechen mit Nathan und Richard.
    Zu dieser Zeit ist das Konzept von »Psychopathie« nur sehr vage bekannt. Doch die psychiatrischen Gutachter beschreiben die dazugehörigen Eigenschaften, die sie bei Nathan und Richard wahrnehmen, absolut richtig: Die tief sitzende Gefühlsverminderung, das Fehlen jeglicher Schuldgefühle, die zum Größenwahn übersteigerte Selbstwahrnehmung, das ungewöhnliche Talent zu lügen und zu schauspielern und ihre chronische »innere Langeweile«, die sie nach »Kicks« suchen lässt. Juristen, Reporter und Bürger hören all dies, begreifen kann es trotzdem niemand. Obwohl die Familien der Täter entsetzt sind, heuern sie den bekannten, sehr teuren, aber auch sehr guten Anwalt Clarence Darrow für ihre Söhne an. Denn denen droht – trotz ihres jungen Alters, durch das sie in den USA noch als Minderjährige gelten – die Todesstrafe.
    Der Anwalt hat nur zwei Möglichkeiten: Entweder er erreicht, dass die beiden wegen einer Geisteskrankheit für unzurechnungsfähig erklären werden, oder er räumt ein, dass sie zurechnungsfähig sind, versucht aber aufgrund ihrer Jugend gegen die Todesstrafe zu argumentieren und eine lebenslange Haft »herauszuholen«. Er entscheidet sich für Letzteres. Sein sehr gut vorbereitetes, sehr langes Abschlussplädoyer geht in die Geschichte der amerikanischen Rechtsprechung ein. Er weiß, dass er gar nicht erst zu versuchen braucht, für seine jungen Mandanten vor Gericht »Sympathiepunkte« zu machen. Nach allem, was inzwischen bekannt ist, wäre das unmöglich. Stattdessen konzentriert er sich darauf, seine Kritik an der Todesstrafe umfassend zu begründen, vor allem, wenn es juristisch gesehen um Minderjährige geht. Außerdem erklärt er, dass jeder einzelne der beiden jungen Männer wahrscheinlich niemals ein solches Verbrechen begangen hätte. Dies ist auch die Meinung der Psychiater.
    Dr. Gluck sagt dazu aus: »Ich denke, dieses Verbrechen war wohl das unausweichliche Ergebnis

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