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0072 - Ich war kein Fraß für Tiger

0072 - Ich war kein Fraß für Tiger

Titel: 0072 - Ich war kein Fraß für Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich war kein Fraß für Tiger
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Zeit meines Lebens habe ich nie die World Morning Tribune gelesen. Ich hatte bis zu diesem Morgen nicht einmal eine Ahnung, dass es sie überhaupt gibt.
    Die Zeitung lag in meinem Briefkasten. Ich hatte sie nicht abonniert, und es war auch kein Werbe-Exemplar, denn diese tragen einen Stempel.
    Well, ich gebe zu, dass ich neugierig war. Als G-man ist man die tollsten Überraschungen gewöhnt. Es hätte mich nicht gewundert, wenn irgendein Artikel in der Zeitung rot angestrichen worden wäre, weil man mich auf diese anonyme Tour auf irgendein Kapitalverbrechen aufmerksam machen wollte.
    No, Sie irren sich. Nichts war angestrichen. Keine Zeile. Ich hatte die Zeitung oberflächlich durchgeblättert und nichts Auffälliges gefunden.
    Well, da ich ein freies Wochenende hatte, nahm ich mir Zeit. Es war ohnehin schon nach zehn Uhr, als ich mich überhaupt dazu entschlossen hatte, mein schönes Bett zu verlassen, aber nun meldete sich sehr energisch mein Magen. Ich brühte mir Kaffee auf, kochte mir zwei Eier und suchte das Zubehör eines normalen Frühstücks zusammen.
    Ich las meine Zeitungen. Die New York Herald Tribune und die New York Times. Dann bekam ich wieder diese mysteriöse World Morning Tribune in die Hand.
    Da inzwischen die erste Zigarette brannte und ich mich ansonsten wohlfühlte, schlug ich sie noch einmal auf. Sie war wirklich recht geschickt aufgemacht.
    Langsam blätterte ich mich durch die Zeitung. Auf der vorletzten Seite stieß ich auf einen kleinen Artikel, der augenblicklich meine Aufmerksamkeit erregte.
    Können bengalische Königstiger morden?
    Unter dieser recht eigenartigen Überschrift kam der eigentliche Artikel. Und ich muss sagen, dass er mich tatsächlich packte. Der Artikel lautete:
    Ein Mord, verehrte Leser, ist die vorsätzliche Tötung eines Lebewesens. Da wir von Kalb-, Rind-, Schweine- und einigen anderen Fleischsorten leben, sind wir alle mehr oder minder so etwas wie Mörder. Wer hat noch nicht eine Spinne totgetreten? Eine Motte ins Jenseits befördert? Nun, gegen diese Art des Mordens kann man kaum etwas sagen, wir leben von ihr. Wir beschränken also die vorsätzliche Tötung auf menschliche Lebewesen, wenn wir vom Mord sprechen. Aber wie gesagt, zum Mord gehört der Vorsatz, sonst ist es eine fahrlässige Tötung, ein Unfall oder ein Totschlag. Mord ist die vorsätzliche Tötung eines Menschen. Vorsatz aber, so meinen wir, hat etwas mit Absicht, mit Willen zu tun.
    Da sind wir bei des Pudels Kern. Kann ein bengalischer Königstiger den düsteren Plan hegen, einen Menschen zu ermorden, also vorsätzlich, absichtlich, willentlich zu töten? Wir bezweifeln es. Aber offenbar muss es das geben. Denn in dem hübschen Steve Private Zoo hat in der vergangenen Woche ein bengalischer Königstiger gleich zwei Männer ermordet. Nein, es war kein Unfall, er hatte sich auch nicht aus seinem Gehege selbstständig gemacht, alles nicht. Besagter bengalischer Königstiger ist außerordentlich schlau zu Werke gegangen. Er überredete den Mann, auf den er es abgesehen hatte, bis nach Schluss der offiziellen Besuchszeiten sich im Zoo zu verstecken.
    Danach bat er den Mann, sich soweit über die Betonbrüstung des tief gelegenen Raubtierfreigeheges zu beugen, bis er herabfiel. Und nun konnte der Tiger seinen blutrünstigen Plan in die Tat umsetzen. Er konnte in aller Ruhe den wehrlosen Mann mit tigerischen, also nicht sehr humanen Mitteln umbringen. Und weil ihm das so gut gefiel, wiederholte er das ganze Manöver zwei Tage später. Wieder überredete er einen Mann, bis nach Schluss - und so weiter, siehe oben.
    Verehrter Leser, jetzt werden Sie glauben, die Zeitung wolle Ihnen die tollste Lüge des Jahrhunderts auftischen. Mitnichten! So ist es geschehen, zweimal! Und die Polizei erklärt dazu, dass es nicht anders gewesen sein könne, als wie folgt: Die beiden Männer sind an zwei verschiedenen Tagen unabhängig voneinander bis nach Schluss der offiziellen Besuchszeit im Zoo geblieben. Danach müssen sie zum Raubtierfreigehege gegangen sein und sich dort so weit über die Brüstung gebeugt haben, dass sie hinabfielen.
    Da wir uns fragen, welcher vernünftige Mensch auf so ausgefallene Gedanken kommen kann, sind wir schließlich zu dem Schluss gekommen, dass der Tiger dabei seine unheimliche Hand oder besser Pranke im Spiel gehabt haben muss. Denn wenn die Polizei erklärt, dass niemand irgendeine Schuld an den bedauerlichen Ereignissen träfe, dann kann sich das nur auf die Menschen beziehen. Und

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