Auf einmal ist Hoffnung
Künstlern angefertigt, Kleiderschränke. Heute gibt es nur noch ein paar davon. Es sind wertvolle Antiquitäten.« Er verschränkte Schulmeisterlich die Arme vor der Brust.
»Steck dir deine Schränke in den Hintern!« entgegnete sie gutgelaunt, schmiegte sich verführerisch an seine Schulter und tätschelte seine Wange.
Er schob sie ärgerlich zur Seite. »So 'n Schrank ist heute mindestens zwanzigtausend wert.«
»Du hast 'n Schrankkomplex!« Sie zeigte mit ausgestrecktem Finger auf ihn, nahm seine Äußerung als Witz und bog sich vor Lachen. Sie ahnte immer noch nicht, daß er es ernst meinte.
Er blieb unbeeindruckt und lächelte in sich hinein. Er war sich seiner Sache sicher. Er wußte, daß es nur noch eine einzige Chance gab, wenn er mit einem Typ wie ihr zum Ziel kommen wollte. Er mußte sie dazu bringen, daß sie ihm aus der Hand fraß. Nur das würde ihn mit ihr noch in die richtige Erregung versetzen.
Er sagte selbstsicher: »Auf der Madison gibt es einen Antiquitätenladen. Dort steht so 'n Schrank.«
Plötzlich ahnte sie, was er vorhatte. »Ich kenn 'ne tolle Tour!« Ängstlich wollte sie ablenken.
»Halt endlich die Schnauze!« Wie aus der Pistole geschossen schrie er sie an, daß sie erschrocken die Augen aufriß. Für einen Moment war es still im Zimmer. Nur das eintönige Hupen der Autos drang von der Park Avenue die zwölf Stockwerke herauf.
In die Stille hinein sagte er drohend leise: »Später gehn wir zu diesem Antiquitätenladen. Und im Frankfurter Schrank werden wir's tun.«
Unwillkürlich duckte sie sich unter seinen Worten. Sie wagte nicht zu atmen, und ihr Blick war starr auf ihn gerichtet.
Er war zufrieden und lächelte überlegen. »Allright?«
Sie nickte unmerklich, und dann kam kaum hörbar ein nachgiebiges »Okay«.
20
May Tsang hatte sich schon als junges Mädchen sehr für Kunstgeschichte interessiert. Vor allem die niederländischen und französischen Maler des neunzehnten Jahrhunderts hatten es der zierlichen Person angetan. In die Bilder von Cézanne, Renoir, van Gogh, Gauguin, Monet war sie geradezu verliebt. Monets ›Frühstück der Ruderer‹ hatte sie sogar einmal im Original bewundern können, an ihrem dreißigsten Geburtstag, als ihr inzwischen verstorbener Mann sie zu einer Fahrt nach Washington eingeladen hatte. Dort hing das Bild in der Phillips Galery.
Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie sich wie allein auf der Welt gefühlt. Es gab für sie nur noch ihre Kunstbücher. Doch nach ein paar Jahren war ihr bewußt geworden, daß sie sich nicht mehr länger vor der Umwelt vergraben durfte. Eine Anzeige in der Wochenendausgabe der ›New York Times‹ hatte sie wachgerüttelt. KAHN ANTIQUES hatte eine Assistentin gesucht.
Beinahe jedesmal, wenn sie den Laden über mehrere Tage allein betreute, wie auch jetzt wieder, weil Kahn in Galveston zu tun hatte, wurde in ihr die Erinnerung an den Tag wach, als sie Monroe Kahn zum erstenmal begegnet war.
Es war vor neunzehn Jahren gewesen.
Die Anzeige der ›Times‹ war verhältnismäßig klein. Dennoch strahlten die Worte eine Faszination auf sie aus. KAHN ANTIQUES war für sie ein Begriff. Sie rief, ohne lange zu überlegen, die angegebene Nummer an. Monroe Kahn war gleich selbst am Apparat. Seine schon damals etwas brüchige Stimme klang für sie wie Balsam. Zwei Stunden da nach stand sie ihm hier im Office zum erstenmal gegenüber.
Jetzt, da sie die Erinnerung Wiederaufleben ließ, warf sie einen kurzen Blick über den kleinen Raum.
Im Office hatte sich seit damals kaum etwas geändert. Die Wände bedeckte nach wie vor eine flaschengrüne Tapete. Vor dem vergitterten Fenster, das auf den engen Hinterhof hinausführte, standen wie immer Blumenstöcke mit goldgelben und feuerroten mexikanischen Zinnien. In der Mitte de Raumes der Mahagoni-Schreibtisch aus dem Jahr achtzehn hundertfünfzig, mit den geschwungenen zarten Beinen und der flachen Platte, unter der es nur zwei Schubladen gab Dahinter der Stuhl aus frühviktorianischer Zeit. Rechts auf dem Tisch das gerahmte Foto von Phila, Kahns Frau, die kurz nach der Geburt ihrer Tochter gestorben war. Links Jennifers Foto, das Kahn im Lauf der Jahre ein paarmal erneuert hatte und das Jenny jetzt in Großaufnahme mit ernstem Gesichtsausdruck zeigte. Die Tür zum Hinterausgang die dunklen, antiken Aktenschränke aus Mahagoni, der verspielte Telefontisch, der Kristallspiegel mit dem schweren silbernen Rahmen, all das hatte es schon vor neunzehn Jahren hier
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