Auf einmal ist Hoffnung
gegeben.
Monroe Kahn hatte ihr damals Platz auf dem Hepplewhite-Stuhl angeboten, der auch heute noch in der Ecke neben dem Schrank für die Expertisen stand.
»Sie heißen also May«, stellte er fest, wiederholte für sich ihren Namen noch mal leise und sagte anerkennend: »Ein wunderschöner Name.« Er strahlte die Ruhe und Überlegenheit aus, die sie immer gesucht hatte.
Er stellte ihr ein paar fachliche Fragen, aber sie war zu aufgeregt und fand die passenden Worte nicht.
»Ich kann es Ihnen nachfühlen, May«, sagte er geduldig, »als ich mich zum erstenmal vorstellen mußte, ist es mir nicht anders ergangen, ich weiß es noch genau, ich trug ein Hemd mit zu engem Kragen. Ich konnte nicht mehr klar denken und wollte eine Antwort, einfach erzwingen. Dabei habe ich mich derart angestrengt, daß mir der Hals schwoll und der Knopf vorn Kragen sprang.«
Sie lachten beide herzlich darüber, und auf einmal war sie innerlich wie befreit.
Wenig später hatte sie den Job und war überglücklich. Am liebsten wäre sie Kahn vor Dankbarkeit um den Hals gefallen.
Sie hatte den untersetzten, etwas rundlichen Mann mit den gütigen Augen und geröteten, weichen Wangen vom ersten Tag gemocht und verehrt.
Neunzehn Jahre, dachte sie, und aus seinem Mund war noch kein einziges ungehaltenes Wort gekommen. Neunzehn Jahre, und noch immer war es ein respektvoll höfliches Arbeitsverhältnis. Das Schicksal hatte es wirklich gut mit ihr gemeint. Sie freute sich schon wieder auf Kahns Rückkehr, die er ihr heute vormittag aus Galveston vom Universitätsgelände telefonisch angekündigt hatte.
Bei dieser Gelegenheit hatte er sie auch gebeten, Jennifer von seiner Rückkunft zu verständigen und sie zu bitten, sich den Abend für ihn freizuhalten. Aber sie hatte Jennifer bis jetzt noch nicht erreicht. Sie hatte es bei ihr zu Hause versucht und im Studio, mehrmals. Beim letztenmal hatte sie dann endlich erfahren, daß Jennifer mit Negolescu, ihrem Ballettchef, mit unbekanntem Ziel aus dem Studio weggegangen war.
Wenn sie die Verabredung von Jennifer und ihrem Vater nicht zustande bringen sollte, würde es ihr für Monroe Kahn leidtun, dachte sie. Nur zu gut war ihr bekannt, wie sehr er an seiner Tochter hing und wie rücksichtsvoll er zu ihr war. Wenn er also heute abend noch mit ihr zusammentreffen wollte, würde das gewiß nicht ohne dringenden Grund geschehen.
Sie überlegte kurz, nahm dann den Hörer hoch und wählte noch einmal die Nummer des Studios. Aber die Auskunft war die gleiche wie vorher.
Am späten Nachmittag stand dann plötzlich Monroe Kahn im Laden. Sie hielt gerade ein Tuch in der Hand und war damit beschäftigt, das Chippendale Bookcase mit dem Schwanenhalsgesims von einer kaum sichtbaren Staubschicht zu befreien.
»Hello, May. Alles allright?« Er verströmte Ruhe und Optimismus. Am Revers seines dunkelblauen Jacketts steckt eine weiße Nelke.
»Alles allright, Sir«, erklärte sie, »nur Jenny habe ich noch nicht erreicht. Sie ist irgendwo unterwegs.« Mit weißer Nelke hatte sie ihn noch nie erlebt. Offenbar hatte er sich die Blume angesteckt, weil er voller Optimismus war.
»Wir werden sie schon auftreiben«, sagte er, und die Fältchen an seinen Augenwinkeln vertieften sich durch sein Lächeln. Er warf einen prüfenden Blick in die Runde und stutzte auf einmal beifällig. »He, Sie haben ja die Uhr verkauft.«
»Zum festen Preis, Sir«, sagte sie voller Eifer.
»Gratuliere.«
»Danke, Sir.« Ihre Wangen glühten.
Er ging durch den Laden, als wolle er jedes einzelne Stück begrüßen. Sie blieb im Abstand hinter ihm. Auf der Schwelle zum Büro drehte er sich zu ihr um und fragte übermütig: »Und was sind die schlechten Neuigkeiten?«
»Es gibt keine, Sir«, antwortet sie zuvorkommend und zählte wie zum Beweis auf: »Delponte hat bezahlt. Lawrence hat geliefert. Die Sache mit dem Zoll ist geregelt. Ahlbrandson will im Lauf der nächsten Woche hereinschauen. Der Toilettentisch ist restauriert. Im Tresor liegen zwei Schecks für insgesamt sechsundzwanzigtausendzweihundert. Und gestern habe ich siebentausendvierhundert zur Bank gebracht.«
»Das ist doch erfreulich, May, meinen Sie nicht auch?«
Sie pflichtete ihm bei: »Ja, Sir, die Woche war wirklich sehr gut.«
»Hm.« Er sah sie nachdenklich an und war mit seinen Gedanken woanders. Sie kannte den Blick an ihm. Er bedeutete, daß er einem Problem nachhing. Gewöhnlich ließ sie ihn dann allein, damit er sich vollauf konzentrieren konnte.
Doch als
Weitere Kostenlose Bücher