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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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Lügen. Schließlich hatte ich in meiner Vergangenheit tüchtige Lehrer gehabt. »Tut mir furchtbar leid«, würde ich Seth sagen, »aber ich treffe mich mit jemand anderem.« Und tatsächlich hatte ich Pläne mit diesem
Chianti: vollmundig, italienisch, verlässlich. Alles, was man von einer Verabredung erwarten konnte.
    Ich ließ auf dem CD-Spieler Norah Jones laufen, der es, wenn es mir mies ging, immer gelang, mich in bessere Laune zu versetzen. Wir sind allein, schien die Musik zu sagen, und wir sind alles, was wir haben, aber wir sind auch irgendwie cool … So gewappnet, stellte ich den Anrufbeantworter an. Fast eine Minute lang lauschte ich der Stille, während ich auf die Knöpfe sah und sicher war, etwas falsch gemacht zu haben. Aber dann kam die Stimme.
    »Kerry?«
    Das Glas fiel mir aus der Hand, zerbrach und hinterließ einen vollmundigen, italienischen, verlässlichen Fleck auf dem Teppich.
    »Das ist doch deine Nummer, oder? Ich meine, natürlich ist es deine Nummer.« Er räusperte sich, sprach langsamer, mit tieferer Stimme. »Hier ist Justin … Caine. Ich muss dich wegen etwas Wichtigem sprechen. Etwas, das ich nicht auf den Anrufbeantworter sprechen kann.«
    Ich wich zurück und starrte auf das Gerät.
    »Hör zu, das hier fällt mir nicht leicht. Ich weiß, es ist eine Ewigkeit her, aber es ist etwas passiert, das du wissen solltest.«
    Tief in meinem Innern hatte ich auf diesen Anruf gewartet. Ein Teil von mir wusste, dass er die Wahrheit über Eve herausfinden, erkennen würde, wie sie wirklich war. In Gedanken hatte ich es so oft durchgespielt, sogar geübt, wie ich reagieren, mich dagegen wappnen würde. Es tut mir leid, würde ich sagen, aber du kommst zehn Jahre zu spät. Geh zurück zu deiner Frau. In meiner Vorstellung klangen die Worte unbeteiligt, mit einem leichten Akzent, wie der eines britischen Aristokraten. Doch als ich
Justins Stimme hörte, die vielleicht älter und schärfer klang, aber doch noch immer die gleiche war, gab alles in mir nach. Die Knie wurden mir weich. Ich spürte keine Kraft, keine Gleichgültigkeit, nur den Verlust.
    »Hör zu, du musst mich unbedingt zurückrufen. Ich kann dir das nicht auf Band sprechen - es ist viel zu wichtig.«
    Ich schüttelte den Kopf und sah durch die Gitterstäbe meines Vorderfensters. Es war von den letzten Mietern verbarrikadiert worden, die eine Katze und ein kleines Kind hatten. Ich hatte mir nie die Zeit genommen, die Stäbe zu entfernen, obwohl sie mir das Gefühl gaben, an einem Ort zu leben, wo Leute aus Plastiktassen tranken und Nummernschilder herstellten. Aber selbst ohne das Gitter würde ich genauso fühlen, wenn ich Tag und Nacht auf die flackernden Lichter hinabblickte: Neon-Pizza, Waschsalon, das Schild mit den nacheinander rot aufblitzenden Buchstaben C-R-E-D-I-T, die grell genug waren, um meine salbeigrün gestrichenen Wände in ein fahles Braun zu verwandeln.
    »Sie stirbt, Kerry«, fuhr er plötzlich fort. »Deswegen rufe ich an. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Sie stirbt.«
    Ich stoppte den Anrufbeantworter und blinzelte, immer wieder. Nein. Niemals. Ich kannte die Wahrheit. All die Jahre war es mir gelungen, die Augen zu schließen und sie zu sehen, sie mit Justin zu sehen, mit ihrem Kind, wie sie mein Leben lebten. Und immer, immer waren sie glücklich. Ich hätte es gespürt, wenn etwas nicht in Ordnung gewesen wäre. Ich hätte es gewusst.
    Ich schluckte schwer, ließ das Band zurücklaufen und hörte es mir noch einmal an.
    Sie stirbt. Die Worte schmerzten in meiner Brust wie eine gebrochene Rippe. »Was?«, fragte ich ins Leere. »Was? Was?«

    »Du musst wirklich hier runterkommen, so schnell du kannst. Sie braucht dich jetzt.« Seine Stimme brach ab, und es folgte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: »Die Nummer ist noch dieselbe. Wir sprechen uns bald, ja? Bitte.«
    Ich stoppte den Anrufbeantworter - meine Hand zitterte so sehr, dass ich zwei Versuche brauchte -, dann stand ich mit geschlossenen Augen, die Hand flach auf das Telefon gelegt, da. »Stirbt«, flüsterte ich und biss mir dann auf die Lippen. Ich schaltete Norah Jones aus, ließ die Nachricht noch einmal abspielen und hörte eher auf den Tonfall als auf die Worte. »Justin«, sagte ich. »Justin?« Ich musste sein Gesicht sehen. Ich ging zum Bücherregal und zog einen der schmalen Romane heraus, den ich so oft gelesen hatte, dass ich ihn fast auswendig kannte. Ich starrte auf sein Gesicht auf der Rückseite des Umschlags, und tief aus

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