Auf ewig und einen Tag - Roman
lagen auf unseren Lenden, und wir unterhielten uns.
»Eines Tages habe ich mein eigenes Teleskop«, sagte Justin und blickte durch ein Ende der Klopapierrolle. »Wenn man an einem Ende hineinsieht, sieht man die Atome, wenn man am anderen Ende hineinsieht, das Universum.«
»Gib her«, sagte Eve und nahm sie ihm weg. Sie hielt die Rolle ans Auge und ließ den Blick forschend seine Beine hinaufgleiten. »Ich werde eine dieser Röntgenbrillen haben«, sagte sie, »mit der man durch die Kleider hindurch bis in die Eingeweide sehen kann.«
Er lächelte sie von der Seite an. »Aber vergiss nicht, es ist, als ob es drei Welten gäbe. Die winzige, und verglichen mit ihr sind wir wie das Universum. Und dann gibt’s die unendliche Teleskopwelt, und verglichen mit ihr sind wir wie Atome.«
»Wie das, was Gott sieht«, sagte ich.
Justin nickte ernst. »Für Gott sind wir wie Atome, und für die Atome sind wir wie ihr Gott.«
»Jedes Mal, wenn er mich ansieht«, sagte Eve jetzt. »Ich hab das Gefühl, dass er dann genau daran denkt. Wie meine Beine aussahen und meine Titten.«
Ich gab ihr einen Klaps. »Du hattest noch keine Titten.«
»Was er damals sagte, war ziemlich tiefschürfend für ein Kind, nicht? Verdammt stark.«
»Also«, sagte ich und sah sie an. »Also bist du auch verliebt in ihn?«
»Nein! Um Himmels willen, nein.« Eve hielt einen Finger hoch und betrachtete den abgesplitterten Nagellack. »Ich habe vor, mich nie in irgendjemanden zu verlieben, außer vielleicht in Antonio Banderas.«
»Viel Glück damit«, erwiderte ich und lächelte dann. »Eve Banderas. Hört sich an wie eine Drag Queen.«
»Egal, er ist wahrscheinlich ohnehin ein Schwein. Ich verliebe mich in niemanden. Ich werde bloß Affären haben.«
Nur mit Mühe schaffte ich es, nicht die Augen zu verdrehen. Tatsächlich hatte sich Eve in praktisch jeden Jungen unserer Schule verliebt, ausgenommen Mattie Burns, der rote Sommersprossen hatte und frühzeitig kahl zu werden schien. Sie flirtete mit ihnen, bis sie sich zu interessieren begannen, und dann entschied sie, dass sie Verlierer seien, und war mit einem Schlag nicht mehr verliebt. »Wesentlich gesünder«, sagte ich. »Alle Männer sind Schweine, außer Daddy.«
»Vor allem Daddy, wenn wir schon von Schweinen sprechen. Ich kann nicht glauben, dass Mom überhaupt so lange bei ihm geblieben ist.«
»Eve!«
»Ich mein’s ernst. Ich wette, sie hatte es so satt, einen solchen Ehemann zu haben, jeden Morgen neben diesem verschwitzten, haarigen Trunkenbold aufzuwachen, dass sie einfach auf und davon ist.«
»Ich schätze, dass sie dich satthatte«, antwortete ich und merkte sofort, wie dämlich sich das anhörte.
Eves Gesicht bekam einen harten Ausdruck, und sie sah mich so verächtlich an, als hätte ich etwas furchtbar Kindisches getan, meine Zunge herausgestreckt und mit dem Finger gedroht. Ich wandte mich verärgert ab.
Ich ging in die Küche und öffnete einen Schrank, weil ich mich abreagieren musste, und starrte blicklos auf die Dosen mit Tomatensuppe und die Flaschen mit Heinz-Ketchup. Dann ging ich hinaus und beobachtete von der Veranda aus einen vorbeiratternden Pick-up, der Holz für eines der neuen Häuser am Südende geladen hatte.
Nachdem wir vom Parasailing zurückgekommen waren, hatte ich Daddy an seinem Schreibtisch sitzen sehen, den Kopf in die Hände gestützt und von der seit einem Monat angesammelten Post umgeben, die ordentlich auf drei Stapel aufgeteilt war. Er sah auf den Boden hinab und massierte sich mit hochgezogenen Schultern die Schläfen. Selbst vom Gang aus konnte ich den penetranten Geruch von billigem Wein wahrnehmen, der aus seinen Poren drang.
Zuerst dachte ich, dass es vielleicht die Rechnungen waren, die ihn so niederdrückten, aber dann wurde mir klar, dass es mehr sein musste. Ich betrachtete seinen Kopf, die grauen Strähnen in seinem lockigen Haar, und wollte etwas sagen, hatte aber keine Ahnung, was. Also blieb ich noch eine Weile stehen, wandte mich dann ab und verließ den Raum.
Nach dem Abendessen war er mit dem Boot hinausgefahren, was er nur in Nächten tat, wenn er traurig war, wenn zwei Töchter im Teenageralter und ein nie versiegender Nachschub an Trinkkumpanen einfach nicht ausreichten. Dann stand er an Deck, sah auf das dunkle Wasser hinaus und dachte an alles, was er verloren hatte. So war das Meer bei Nacht, es zog einen mit sich hinab, und man sah nur noch all die Dinge, die man nicht haben konnte.
Jetzt beobachtete ich
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