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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel von Treppen
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hatte, eine Bestellung aufzugeben, orderte ich ein Bier und ein Schnitzel mit Champignonsoße. Auch die Champignons hatten ihren Ursprung auf der Erde, genauso wie das Schwein, das sein Leben hingeben musste, um als Fleisch auf den Tellern von fast subversiven Kneipen zu landen. Die Sauce war dunkel, die Kartoffeln frittiert und dazu gab es einen kleinen Salat in Joghurtdressing. Mein Bier war obergärig, ich mochte es so lieber. Ein paar Gesichter kannte ich aber nur flüchtig neben Margarete, der Kellnerin. Mein Appetit verdrängte ein Bedürfnis nach Gesellschaft, solange das Schwein auf meinem Teller lag, gab es nichts zu besprechen. Für Schweineschnitzel und Bier reichte mein Taschengeld noch, für Paola in New Havanna nicht. Ich war mir sicher, sie hatte sich auch in mich verliebt, beteuert hatte sie das allemal. Ich schaute Margarete bei ihrer Arbeit zu. Sie hatte vermutlich dunkles, langes Haar und es erschien mir so, dass ihre Hose zu eng war, vermutlich nicht ohne Absicht. Noch bevor das Schwein sich völlig mit mir verbunden hatte, bestellte ich bei Margarete ein weiteres Bier. Ich lächelte sie an, was sie professionell ignorierte. Wenn ich einige Dollars hier gelassen hatte, würde sie etwas zugänglicher werden, manchmal lächeln. Zur frühen Stunde wagte es niemand, ihr einen Klaps auf ihren Hintern zu geben, aber nach Mitternacht konnte es passieren, wobei sich nicht jeder das erlauben durfte, dies alles in guter Hoffnung, dass niemand an den Monitoren zuschauen würde. Nach dem Schwein musterte ich erneut die Kneipe, die fast ausschließlich von Männern bevölkert war. Der Frauenanteil mochte bei zehn Prozent liegen und man konnte davon ausgehen, dass sie beobachtet wurden. Es war selten, dass sich verheiratete Pärchen in solche Kneipen verirrten. Die Frauen, die hier alleine hingingen, waren per se verdächtigt und sie wussten sich vorsichtig zu verhalten. Ich konnte nie genau sagen, wie sehr meine paranoide Stimmung, die mich auch in dieser Kneipe begleitete, typisch für die anderen Gäste war. In einer paranoiden Gesellschaft versteckte sich jeder so gut, wie er konnte. Hier war mit Sicherheit jeder paranoid. Auf dieser Welt war jeder paranoid. Paola war paranoid und somit das gesamte New Havanna und jenseits von New Havanna und New Avignon lebte der komplette Wahnsinn. Während 95 Prozent der kompletten Landfläche dieses Planeten von einem völlig unvorstellbaren Wahnsinn besiedelt waren, herrschte auf unseren beiden Inseln ein beinahe moderater Wahnsinn, die Paranoia. Die Unterdrückung und die Paranoia funktionierten offensichtlich schon immer. Jetzt wurden Überwachungskameras und Sender eingesetzt, um ihr Feuer anzufachen. Ich grinste, so war das hier, aber an und für sich hätte ich meinen Job als Lehrer für Vorgeschichte gerne wieder gehabt. Wenn ich mich nur genug verfolgt fühlen würde, wenn ich mehr beten würde, am besten öffentlich, würde ich meinen Job mit Gottes Gnade zurückbekommen. Und das Taschengeld für Paola      
     
     
     
     
    Wie es sich gehörte, betete ich nach dem Essen, um mich für Gottes Gaben zu bedanken. Glücklicherweise brauchte ich nicht laut dabei sprechen, denn dem Ritual genügte, die Lippen zu bewegen. Es war unwahrscheinlich, dass man meine Gedanken lesen konnte, aber ich vermutete, es wurde daran geforscht. Glücklicherweise musste man nicht nach jedem getrunkenem Bier eins dieser Gebete vortäuschen, nur bei größeren Sachen wie einem Schweineschnitzel, nach getaner Tagesarbeit oder einem abgeschlossenen Geschäft. Für mich war es typisch, bei solchen Gebeten an Messdienerinnen zu denken. Als Atheist betete ich überdurchschnittlich lange. Ich wurde bei meiner Gotteslästerung von Paul gestört, der die Kneipe betreten hatte und ohne groß zu fragen, sich zu mir setzte. „Hi!“ - „Hi, Paul!“ - „War ein bisschen schwül heute“ - „Ich war am Meer, schwimmen“ Paul musterte mich, offensichtlich ein Wasserscheuer, dessen Ganzkörperkontakt mit Wasser sich auf ein gelegentliches Bad beschränkte. „Aber das ist doch gefährlich hier“ - „Mit Gottes Hilfe war es kein Problem. Ich bin ein geübter Schwimmer.“ Er lächelte mich an. „Bis nach New Havanna hast Du es aber nicht geschafft!“ Das wäre etwas weit, aber seltsam, die Idee kam mir immer, wenn ich ins Wasser stieg. Aber zweihundert Kilometer waren dann doch ein bisschen viel. Paul war vermutlich noch „jungfräulich“ und bewunderte mich wegen meiner Abenteuer

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