Auf keinen Fall Liebe
sehr. Nur zu gerne würde er herausfinden, ob er diesen Eisblock in seinen Armen zum Schmelzen bringen könnte, ob sie immer noch so frostig wäre, wenn sie erstmal in seinem Bett liegen würde.
»Idiot«, murmelte er trocken, »du bist zweiunddreißig und benimmst dich wie ein pubertierender Jüngling, dabei hast du weiß Gott genug andere Probleme.«
Er seufzte und schüttelte den Kopf, schüttelte die Gedanken an die blonde, äußerst anziehende Frau mit den smaragdgrünen Augen von sich ab. In seinem Leben gab es keinen Platz für derartige Dinge. Da war Emily, um die er sich kümmern musste, da war die Praxis, die er hier aufbauen wollte, und da waren der Schmerz und die Enttäuschung, mit denen er fertig werden musste.
Frauen standen nicht auf seiner To-do-Liste, und das würde auch so bleiben.
Im Haus der Graham-Schwestern brannte noch Licht. Polly und Molly saßen in ihrem kleinen, behaglichen Wohnzimmer, und natürlich war ihre Nichte Faith das Thema, welches ihre Gemüter bewegte.
»Sie sieht blass aus, ich glaube Elliotts Tod hat ihr doch mehr zugesetzt, als sie zugeben will«, stellte Molly betrübt fest.
»Vielleicht«, bedächtig wiegte Polly den Kopf hin und her, »aber da sind noch andere Dinge. Sie hat ihre Karriere an den Nagel gehängt, und Gabriel Pendergast wohl gleich dazu.«
Molly sah nicht besonders überrascht aus. »Das wundert mich nicht. Sie klang am Telefon schon so merkwürdig, und ehrlich gesagt bin ich froh, dass sie diesen aufgeblasenen, arroganten Kerl los ist. Er hat ihr nicht gutgetan, und sie haben überhaupt nicht zusammengepasst. Faith hat etwas Besseres verdient als einen Mann, der sie für seine ehrgeizigen Pläne benutzt.«
»Etwas Besseres – so wie Dr. Clarke zum Beispiel?« Polly kicherte.
»Warum nicht?«, schmunzelte Molly. »Er macht einen netten und anständigen Eindruck, und er ist sehr attraktiv. So wie sie ihn vorhin angestarrt hat, scheint ihr das wohl auch nicht entgangen zu sein.«
»Ich glaube kaum, dass Dr. Clarke im Moment der Sinn nach einer Beziehung steht. Es sieht so aus, als hätte er ein großes Problem mit Emily«, gab Polly zu bedenken.
»Die Kleine ist entzückend, und ich bin mir sicher, dass sich das geben wird, wenn die beiden erstmal eine Weile hier sind. Wir könnten da vielleicht ein bisschen nachhelfen«, Molly blinzelte ihrer Schwester verschwörerisch zu, »und nicht nur mit seiner Tochter.«
Polly lächelte. »Willst du Dr. Clarke und Faith etwa miteinander verkuppeln? Du weißt doch noch gar nicht, ob Faith überhaupt hier bleibt.«
»Wir werden sehen, ich habe da so eine Ahnung«, orakelte Molly. »Zumindest kann sie ihn nicht wegschicken, das Haus gehört ihm.«
»Das darf Faith auf keinen Fall erfahren, das Ganze nimmt sie auch so bereits genug mit. Er hat mir versprochen, nichts zu sagen, und ich hoffe, dass sie sich mit ihm einigt, ohne dass dieses unschöne Detail ans Tageslicht kommt.«
Nachdenklich rieb sich Molly die Nasenspitze. »Ich glaube schon. So wie ich Faith kenne, wird sie es nicht übers Herz bringen, die beiden auf die Straße zu setzen.«
»Das stimmt«, nickte Polly, »sie war noch nie rücksichtslos gegenüber anderen Menschen. – Und ich muss zugeben, dass sie und Dr. Clarke wirklich ein sehr schönes Paar wären.«
Faith saß in ihrem alten Zimmer auf der Bank in dem kleinen Erker und starrte aus dem Fenster.
Sie hatte gewusst, dass es nicht leicht sein würde, nach all den Jahren hierher zu kommen, nicht nach allem, was geschehen war. Doch sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Vater ihr nach seinem Tode noch einen weiteren Schock verpassen würde, indem er einem wildfremden Menschen die Praxis vermietete. Und als wäre das nicht genug, handelte es sich nicht um einen älteren Arzt, der väterlich und gütig wirkte, sondern um einen Kerl, dessen Liste von Eroberungen garantiert länger war als die Entfernung von der Erde zum Mond.
Lucian Clarke war zweifellos einer der attraktivsten Männer, die sie je gesehen hatte, und er war gefährlich – gefährlich für ihren Seelenfrieden, das hatte sie bereits nach wenigen Minuten festgestellt. Im Laufe ihrer Schauspielkarriere hatte sie viele gutaussehende Männer getroffen, doch keiner hatte eine so starke erotische Ausstrahlung besessen wie dieser Arzt, dessen graue Augen ungeahnte Sehnsüchte in ihr geweckt hatten.
Selbst Gabriel, mit dem sie eineinhalb Jahre zusammen gewesen war, hatte nicht annähernd eine solche Anziehungskraft auf sie
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