Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela
sozusagen „Rücken an Rücken“, unter ihnen der Apostel Jakobus.
Die Stimmung, die uns überkommt, ist ein wenig vergleichbar der Hochstimmung
auf dem Tabor in Israel, dem Berg der Verklärung: „Herr, hier ist gut sein…“ 1 Aber Hütten können wir hier
nicht bauen, unser Ziel ist ja Santiago de Compostela. Wir müssen weiter — noch
ein bißchen „Weg“. Für diesen Weg stärken wir uns bei einem lustigen Picknick
im Freien und mit einem anschließenden „café solo“ und einem „coñac“ in der
„hospederia“ neben der Kirche. Ehe wir weiterfahren, feiern wir Gottesdienst in
der Kapelle. Ein romanisches Kruzifix krönt den Altar.
Und dann geht es wirklich auf
Santiago zu: in Puertomarín sind wir schon 1000 m tiefer, nach Santiago müssen
wir kaum weiter hinunterfahren: auf 260 m. Die musizierenden „Ältesten“ nach
der Geheimen Offenbarung des Johannes sehen wir am Mittelportal der
Johanneskirche von Puertomarín. Sie begleiten uns geistig auf der Fahrt weiter talabwärts
nach Santiago, zu einem Hügel vor der Stadt. Dieser Hügel heißt „Monte del
Gozo“, Berg der Freude. Es gab ein altes Pilgerritual: Nach der Fußwaschung in
einem Bach bei Lavacolla wanderten, marschierten, hasteten, liefen die Pilger
über gut vier Kilometer den Monte del Gozo hinauf. Wer als erster die Türme von
Santiago sah, war der Pilgerkönig. Man sagt, viele hätten diesen „Rang“ in
ihren Namen übernommen, mancher französische „Leroi“ oder „Roi“ leite seinen
Namen aus dem Pilgerbrauch her. Ob auch der eine oder andere der so zahlreichen
deutschen „König’s“ seinen Namen einem jakobspilgernden Ahnen verdankt, wer
weiß es.
Als wir aus unserem Bus die
Stadtkrone von Santiago de Compostela erspähen, ist auch bei uns das „Te Deum
laudamus“ nicht zu unterdrücken. Das Bild und sein geistiger Impuls sind
imponierend. Die gewaltige Portalfront der Kathedrale, flankiert von zwei
mächtigen Türmen, der Torre de la Carraca und der Torre de las Campanas, der
massive Vierungsturm und der mit den Portaltürmen gleichziehende, noch höhere
Uhrturm, die Torre del Reloj, bilden ein Ensemble von einmaliger Schönheit.
Langschiff, Kreuzschiff, Palast des Bischofs Gelmirez, zahlreiche Zu- und
Umbauten gehören zum Bild.
Das Bild ist freilich viel
größer. Es besteht nicht nur aus der Kathedrale. Was haben wir erwartet?
„Nach der langen Pilgerfahrt
möchte man in Santiago eine mittelalterliche Pilgerstadt mit romanischen
Kirchen erleben. Aber es ist eine barocke Stadt, deren Kirchen, Klöster, Plätze
und Straßen im 17./18. Jh. um- und neu gebaut wurden. Das war die Zeit, in der
Galicien und das Erzbistum sehr reich waren. Das romanische Santiago muß man
erst entdecken.“ 4 Beschreiben wir es am Beispiel der Kathedrale, genießen wir es in der Wonne der
Straßen, Winkel und Märkte, der Geschäfte und Gaststuben! — Durch die alte Via
Francigena, die heutige Calle de Casas Reales, zogen einst die Pilger in die
Stadt ein.
Am Ankunftsabend begrüßen und
bewundern wir die Silhouette der Jakobstürme. Am nächsten Morgen lernen wir die
Großartigkeit und Feinheit der architektonischen Komposition kennen.
Es gab eine erste Kirchenanlage
aus der Zeit Alfonsos II. (792-842), von der wir nur noch Reste des Fundaments
kennen. Hier ist der Anfang des Jakobuskults markiert, über den wir noch
sprechen werden.
Mehr ist aus den Grabungen über
eine zweite Anlage bekannt: eine Basilika aus dem Jahr 899, errichtet von
Alfons III. Die Mauren stürmen unter Almansor 997 die Stadt Santiago und
zerstören diese Basilika.
Der 1078 begonnene Neubau der
Basilika von Santiago de Compostela führt 1105 zur Weihe eines Teils der neuen
Kirche. Bischof Diego Gelmirez ist der Consecrator. Erst mehr als 100 Jahre
später ist der Gesamtbau fertig. Er wird 1211 geweiht und bildet den
romanischen Kern der heutigen Kathedrale. Spätere Jahrhunderte fügen Kapellen,
Uhrturm, Kuppel, Glockenturm und Kreuzgang hinzu. Die barocke Fassade,
gleichsam ein riesiger Altar aus Stein, entsteht in der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts. Man nennt sie auch Obradoiro, „Goldgeschmeide“.
Die zentrale Aussage der
Kathedrale konzentriert sich im Portico de la Gloria, in der „Pforte der
Herrlichkeit“. Wir sehen sie an der Westfront des Domes. Einst bildete sie den
Eingang der Kirche, dann baute man die barocke Fassade davor. Ein Meister Mateo
hat den Portikus im 12. Jahrhundert geschaffen und um 1188 vollendet.
Vielleicht gäbe es
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