Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
ihn nicht erreichen kann? Zuhause kann ich ihn auch nicht anrufen - denn dann laufe ich Gefahr, seine Frau am Telefon zu haben. Und ein Bürogespräch ist das sicherlich auch nicht. „Und dann?“ Es ist wie verhext. Fragen über Fragen, und doch keine Antwort.
Nach Stunden voller Zweifel habe ich mich durchgerungen und rufe ihn im Büro an. Es klingelt einmal, zweimal, dann höre ich seine Stimme. „Bitte, kannst Du am Sonntag ausnahmsweise zu mir kommen - wir müssen reden!“ Widerstrebend, das musste ich mir eingestehen, sagte er zu. Er mochte es gar nicht, unter Druck gesetzt zu werden. Es musste sich alles immer nur um ihn und um seine Planungen drehen. Das hatte ich oft genug erlebt. Es konnte passieren, dass er auf geringste Kleinigkeiten, die absolut unbedeutend waren, aufbrausend reagierte und einfach das Gespräch abbrach. „Warum“, fragte ich mich oft, „warum mache ich diese Spielchen mit?“ Nun ja, die Antwort konnte ich mir selbst geben - ich bin verliebt, so einfach ist das.
Gedankenversunken schloss ich die Augen und sah ihn vor mir, sein Lächeln, sein entwaffnender Charme, seine liebenswürdige Art. Ich träumte von einer wundervollen Freundschaft mit sehr viel Gefühl und Romantik. Aber die Wirklichkeit war: Er liebte mich nicht, er mochte mich, und damit musste ich mich, wenn ich ihn nicht verlieren wollte, zufriedengeben. Ich war ja schon glücklich, wenn er auch nur auf einen Sprung bei mir vorbeikam. „Besser ist es, das Unerreichbare zu lieben, als ganz auf die Liebe zu verzichten“, hatte ich immer wieder zu meinen Freunden gesagt, wenn sie mich mal wieder vor ihm warnten. Egal, wie die Aussprache ausgehen würde, die Vertrautheit, die zwischen uns in jeglicher Hinsicht entstanden war, würde mir niemand nehmen können.
An diesem besagten Sonntagmorgen saß ich seit Stunden, zitternd wie ein kleines Mädchen, am Fenster und starrte auf die Straße. Seinen Pulli, den er vergessen hatte, drückte ich fest an mein Gesicht und atmete tief den vertrauten Duft ein. „Alles wird gut“, beruhigte ich mich selbst. Aber eine Stimme in meinem Innern flüsterte mir zu, dass ich mich irrte. Wohl zum fünfzigsten Mal schaute ich auf die Uhr und wartete. Mein Magendruck verstärkte sich. Minuten wurden zu Stunden. Ich lauschte, Angst kroch in mir hoch - wie würde er reagieren? Aber wenn ich ehrlich mit mir selbst war, konnte ich mir seine Reaktion bereits vorstellen. Er würde völlig ausflippen und türenknallend die Wohnung verlassen. Die Vorstellung ließ mich fast zusammenbrechen.
Und dann war es soweit. Ich hatte keine Zeit mehr, mir eine Taktik zurechtzulegen. Das Auto fuhr vor, die Glocke läutete, ein leises Ping meldete die Ankunft des Aufzugs. Lautlos glitt die Doppeltür auf, schnelle Schritte wurden hörbar. Mein Herz hämmerte wie ein Schmiedehammer gegen die Rippen und krampfte sich zusammen. Und dann stand er vor mir. Sein hinreißendes und verschmitztes Lächeln, das ich so liebte, hatte keinen Platz in seinem Gesicht. Eine kleine Unmutsfalte zeigte sich auf seiner Stirn. Keine Begrüßung, nichts. „Was ist so wichtig, dass ich mich von zuhause losreißen musste?“ „Setz Dich erst einmal!“, stotterte ich und wies auf die kleine Sofaecke. Ich versuchte ein winziges Lächeln, das jedoch ziemlich zittrig ausfiel. „Ich habe nicht lange Zeit, ich muss heute noch ins Büro! Also, was gibt’s?“ Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. Ich versuchte mich zu beherrschen, kämpfte gegen die heiß aufsteigende Wut an, jedoch sein Gesichtsausdruck ließ mich alle Vorsicht vergessen. „Ich bin schwanger“, stieß ich hervor, ohne Rücksicht auf seine Laune. Ich hatte seinen Egotrip allmählich satt. Verdattert ließ er sich auf einen Sessel fallen, um gleich darauf schockiert aufzuspringen. Sein Mund öffnete sich, als wollte er nach Luft schnappen, und für den Bruchteil einer Sekunde war er sprachlos. Er erstarrte, sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht, er wurde aschfahl. Und dann legte er los: „Glaubst Du, Du kannst mich damit ködern? Pille absichtlich vergessen? Wie Du weißt, habe ich Familie und kann mir keinen weiteren Klotz ans Bein binden. Selbstverständlich komme ich für den Unterhalt des Kindes auf, falls Du es aufziehen möchtest. Aber Bindungen zu dem Kind lehne ich ab. Du musst Dich entscheiden, entweder ICH oder das KIND. Ansonsten werden wir uns über meinen Rechtsanwalt weiter verständigen!“ Drohend fügte er noch hinzu: „Bis morgen erwarte
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