Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
den Wind geschrieben. Dafür bekam ich nun die Quittung.
„Es war vorbei!“ Wo war nur mein Selbstbewusstsein geblieben? Bisher war ich es immer gewesen, die Beziehungen gelöst hatte. Wenn es zu eng wurde, lief ich einfach davon, erfand fadenscheinige Gründe oder imaginäre neue Freunde. Nicht selten war es vorgekommen, dass ich übers Wochenende verschwand und meinen Freund im Regen stehen ließ. Alles, was mir bisher wichtig gewesen war, nämlich stets die vollständige Kontrolle zu behalten, selbst in einer guten Partnerschaft, hatte ich für diesen Mann über Bord geworfen. Gebetsmühlenartig hatte ich mir immer wieder eingeredet, dass es besser würde. Wie sich nun zeigte, war das ein Trugschluss gewesen.
Die Verzweiflung überrollte mich. Ich grübelte und grübelte, fand jedoch keine Lösung. Meine Stimmung war auf dem Nullpunkt. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich mir einredete, etwas essen zu müssen. Kaum war das Gericht warm, bekam ich keinen Bissen runter. Der Teller mitsamten Essen landete in der Spüle. Immer und immer wieder kehrten die Bilder seines Auftritts zurück. „Hatte er da sein wahres Gesicht gezeigt? Nur Spaß und Vergnügen? Kaltschnäuzig? Charakterlos?“ Mitternacht war längst vorüber. Mutlos schlich ich ins Bett, in der Hoffnung, ein wenig Schlaf finden zu können. Erinnerungen wurden wach. Seine zärtlichen Hände, seine Liebkosungen, seine weichen Lippen - mein Herz raste wie verrückt, mein Puls schlug pochend gegen die Halsschlagader wie ein Hammer: Poch - poch - poch. Allein die Vorstellung, ihn nie wiederzusehen, schnürte mir die Luft ab. War alles nur eine Lüge gewesen?
Ich setzte mich auf, legte den Kopf auf die Knie und weinte so lange, bis ich keine Tränen mehr hatte. Meine Augen brannten. Ich schnäuzte in mein total zerknüddeltes Taschentuch. Schließlich kroch ich wieder unter die Decke und fragte mich ernüchtert: „Was hat dieser Mann eigentlich an sich, was ich so faszinierend finde? Er ist eitel, arrogant, egoistisch, schuld ist er nie, immer nur die anderen, er ist nie pünktlich, direkten Fragen weicht er aus, nie ist er um eine Ausrede verlegen - und treu? Dieses Wort kann er sicher noch nicht einmal buchstabieren. Außerdem hat er einen Hang zur Provokation. Wie oft hatte er mich damit zum Weinen gebracht! Fazit: Es lohnt sich nicht, ihm nachzutrauern. Er ist es nicht wert. Ob mich diese Erkenntnis tröstet?
Mein Mund ist staubtrocken. Kurz stehe ich auf, um etwas zu trinken. Kalt rieselt mir das Wasser den Hals hinunter. Ich werfe einen Blick nach draußen. Es ist noch stockdunkel. Fröstelnd krieche ich zurück in mein Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf. „Nichts sehen, nichts hören und nichts sagen!“ - nach dem Motto der drei Affen. Ich bin so müde, so unendlich müde. Schließlich nicke ich vollkommen erschöpft ein. Gepeinigt von wirren Albträumen wache ich schlotternd auf. Mein Oberbett liegt auf dem Boden. Ich schaue auf den Radiowecker, fünf Uhr morgens. Langsam zieht die Morgendämmerung herauf. Mit bleischweren Gliedern und einem Gefühl der Mutlosigkeit erhebe ich mich. Der erste Tag ohne Arnfried.
Ich schleppe mich ins Badezimmer. Das Gesicht, das mir entgegen schaut, hat keinerlei Ähnlichkeit mehr mit mir. Strähnige Haare, verheulte, verquollene Augen, graue Gesichtsfarbe. Entsetzt weiche ich von meinem eigenen Spiegelbild zurück. „Nein, so nicht!“ Zorn steigt in mir auf. Dieser Mistkerl. Wie kann er es wagen, so mit mir umzuspringen? Wer ist er denn? Eigentlich nur eine arme, bemitleidenswerte Socke. Hier ein „schlampiges“ Verhältnis und dort noch eins. Und dadurch fühlt er sich als Mann bestätigt? Eine echte Freundschaft wird er damit nicht erringen. Vielleicht wird er einmal, wenn er alt geworden ist, allein dastehen, weil sich alle von ihm abgewandt haben.
Jedenfalls werde ich ihn heute anrufen und ihm meinen Entschluss mitteilen. Ich werde das Kind bekommen und auf seine großzügig angebotene, finanzielle Unterstützung verzichten.
Ich blinzelte die Tränen fort und stieg mit zitternden Beinen in die Dusche, drehte den Wasserhahn auf und ließ das heiße Wasser auf mich herabprasseln. Ein paar Minuten stand ich still unter dem heißen Strahl, bis ich merkte, dass sich meine versteiften Muskeln endlich entspannten. Ich wusch mir die Haare, seifte mich ausgiebig mit einer herrlich duftenden Duschlotion ein und versuchte, alle niederschmetternden Gedanken loszuwerden. So ganz allmählich ging es
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