Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
Unterlagen schweifen. „Du liebe Zeit, ist hier denn gar nicht gearbeitet worden?“ Unverzüglich machte ich mich ans Werk, die Zeit drängte. Eine Konferenz jagte die andere, die Telefone klingelten. Ich hatte keine Zeit für eine Mittagspause. Ich arbeitete wie besessen durch. Die Arbeit nahm mich so in Beschlag, dass ich wenig Zeit hatte, über meine Probleme nachzudenken.
Zuhause
Nach Feierabend sah das allerdings ganz anders aus. Hungrig und erschöpft kam ich in eine leere Wohnung. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, wirbelten tausend Gedanken durch meinen Kopf. Hauptsächlich kreisten sie immer wieder um Arnfried. Alles in der Wohnung erinnerte mich an ihn. Im Badezimmer stand noch seine Zahnbürste im Glas, auf der Waschmaschine lag der Massagehandschuh, in der Küche im Kühlschrank befanden sich noch zwei Flaschen Champagner und das Schlafshirt lag frisch gewaschen und gebügelt im Schrank. Das heulende Elend packte mich. Werde ich die ungeheure Leere in meiner Brust denn nie los? „Was sollte ich nur tun?“ Das Schicksal hatte mir wahrhaftig einen bösen Streich gespielt. Mein Vater hatte mir einmal einen Satz ins Poesiealbum geschrieben: „Was immer Du tun willst, fang damit an!“, und er hatte Recht. Es stand außer Zweifel, ich musste mein Leben von Grund auf ändern. Ich musste kämpfen und nach vorne schauen.
Eine heiße Dusche würde mir gut tun. Noch feucht, streifte ich meinen flauschigen Nikianzug über, zog das Handy hervor und wählte die Nummer meiner Freundin. Sie sollte zuerst erfahren, welche Veränderungen in meinem Leben stattfinden mussten. „Hi, ich bin’s. Ich muss mit Dir reden. Kannst Du heute Abend zu einem kleinen Imbiss zu mir nach Hause kommen?“ „Ist in Ordnung“, erwiderte Tessa. „Ich bin froh, dass Du anrufst. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“ Eine kleine Pause, dann fragte sie: „Soll ich irgendetwas mitbringen?“ „Nein, nein, ich brauche im Moment nur meine Freundin, der ich mich anvertrauen kann, das ist alles!“ „Ich komme so schnell ich kann.“ Spätestens jetzt war Tessa alarmiert. Was war nur mit Livi los? Sie hielt sich nicht lange mit Umziehen auf, zog eine alte Jacke über und rannte rüber zu Livis Haus. Sie klingelte, dreimal kurz und einmal lang. Das war unser Erkennungszeichen. Ohne sich lang mit Begrüßungsküsschen aufzuhalten, plumpste Tessa schwungvoll in einen Sessel und schlug graziös die Beine übereinander. „Nun heraus mit der Sprache“, blödelte sie, „was ist los?“ Mir war es schrecklich peinlich, bei dem Gedanken, Tessa zu erzählen, was mir widerfahren war. Schließlich räusperte ich mich und sah sie ernst an, ohne auf den flapsigen Ton einzugehen. „Ich kann es ja doch nicht länger geheim halten. Ich muss Dir etwas anvertrauen, weiß jedoch nicht so recht, wie ich anfangen soll.“ „Nur heraus mit der Sprache“, ermunterte sie mich. „Was hat dieses Scheusal angestellt?“ „Bitte, hör mir jetzt gut zu, ohne mich zu unterbrechen.“ Unfreiwillig stieg aus meiner Kehle ein Schluchzen auf und raubte mir die Stimme. Tapfer senkte ich den Kopf, biss die Zähne zusammen, und erzählte stockend und langsam die ganze Geschichte. Mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck hörte Tessa zu. Als ich geendet hatte, herrschte ein bedrückendes Schweigen im Raum. Einen Moment lang saß Tessa wie erstarrt da, die Hände im Schoß gefaltet und guckte mich ungläubig an. Sie fand keine Worte für das, was sie gerade gehört hatte. Nur das Ticken der Uhr unterbrach die Stille. Wie von einer Tarantel gestochen sprang sie plötzlich auf, holte hörbar Luft, und dann brach es aus ihr hervor: „Dieser Dreckskerl, dieser Macho, dem werde ich die Hölle heißmachen! Das ist kein Mensch, das ist ein Charakterschwein!“ Sie knallte ihr Weinglas auf den Tisch, dass es überschwappte und macht Anstalten, sofort zum Telefon zu greifen und alle Freunde anzurufen. „Bitte, Tessa, setz Dich wieder und versprich mir, nichts Unüberlegtes zu tun. Es ist ja nicht nur seine Schuld. Es gehören immer zwei dazu. Ich habe ja gewusst, dass er verheiratet ist und auch noch andere Freundinnen hat. Ich werde das Kind allein großziehen und hoffe dabei auf Deine Hilfe.“ Zornig und enttäuscht setzte sich Tessa nach einer Sekunde wieder hin und murmelte so etwas wie: „Nun kommt der Kerl auch noch ohne Denkzettel davon!“ Einen Augenblick hielt ich inne. „Weißt Du, ich glaube, ich habe den richtigen Weg gefunden. Folgendes habe
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