Wachgeküßt
1
Völlig entsetzt und fasziniert zugleich beobachte ich, wie mein Freund seinen nackten Hintern hochhievt, um ihn dann mit der ganzen Gewalt einer Achterbahn auf Talfahrt wieder herabstürzen zu lassen. Als Folge des Aufpralls der zwei Körper stöhnen die beiden gleichzeitig und genußvoll, ich dagegen stöhne entsetzt, dafür aber fast lautlos. Ohne sein Publikum zu beachten, setzt Max zu jener Reihe von Stößen an, die bedeuten, daß es gleich soweit ist. Sie krallt ihre langen, pinkfarbenen Nägel in das angespannte Fleisch seiner Gesäßmuskeln. Wie wild erhöht er die Frequenz, und das Gestöhne im Duett wird lauter. Er seufzt. Sie schreit. Dann sinken sie einander schwitzend in die Arme. Max murmelt etwas in der Art, wie verdammt toll das doch war, und vergräbt sein Gesicht zwischen ihren üppigen Brüsten. Sie geht zu jenen schmeichelnden Bemerkungen über, die er immer nach dem Sex hören will, woraus ich schließe, daß dies offensichtlich nicht das erste intime Treffen der beiden ist.
Oft habe ich darüber nachgedacht, was ich wohl täte, wenn ich nach Hause kommen und Max mit einer anderen im Bett vorfinden würde. In meinen Gedanken spielt sich die Szene so ab: Plötzlich habe ich einen messerscharfen Verstand, mir fallen zahlreiche vernichtende Pointen ein, und der Schwinger, der selbst Mike Tyson zu Boden strecken würde, gelingt mir als würdevoller Abgang. Tja, tut mir leid, aber so läuft es leider nicht. Wie weggewischt ist die Vorstellung von einer zweiten Mae West, die vernichtende, geistreiche Bemerkungen austeilt und dabei höchst lässig im Türrahmen lehnt. Wie weggewischt auch die
von Glenn Close beeinflußten Szenerien von brennendem Öl auf nackten Popos oder der realistischere Griff zum Eimer mit eiskaltem Wasser. Wie weggewischt ist sogar die unglaublich freizügige Vorstellung, mir einfach die Kleider vom Leib zu reißen, splitterfasernackt und erwartungsvoll unter die Decke zu schlüpfen und einfach mitzumachen.
Statt dessen fängt meine Unterlippe an zu zittern, mein Gesicht legt sich in unattraktive Falten wie das eines alten, verknautschten Boxers, und ich breche in häßliches, lautes Schluchzen aus.
Ich komme mir reichlich seltsam vor, wie ich so dastehe und Tränen und Make-up über mein Gesicht strömen. Ich sollte wohl eher applaudieren als heulen. Max ist Schauspieler. So eine tolle Vorführung hat er lange nicht hingelegt, weder auf der Bühne noch im Bett.
Alarmiert durch die sonderbaren Laute einer wie wahnsinnig jammernden Frau lassen sie dann doch von ihrem unanständigen Getue ab und entdecken mich.
Komischerweise ahmen nun ihre Gesichter den entsetzten Ausdruck nach, der auf meinem erschienen war, als ich barfuß ins Schlafzimmer trat, nur um meinen Freund, mit dem ich seit mehr als fünf Jahren zusammen bin, mit meiner Aerobic-Trainerin im Bett zu ertappen.
Mußte es ausgerechnet die sein? Natürlich: ein Po und Titten, für die Zellulitis und Schwerkraft Fremdwörter sind – einfach makellos.
Obwohl ich jeden Zentimeter an Max’ Körper kenne, angefangen von der kleinen Windpoclcennarbe unter der seltsam geformten linken Brustwarze bis hin zu dem braunen Muttermal in der Form Italiens auf seinem Hintern, schnappt er nach der Decke und schlingt sie in einem Anfall verspäteter, aufgesetzter Scham um sich.
»Herrje, Alex...« stottert er. »Also, ähm, versteh das jetzt nicht falsch.«
Ich soll das nicht falsch verstehen? Da ertappe ich sie nackt und wie zwei Pornoprofis in Aktion, und er sagt mir, ich solle das nicht falsch verstehen?! Wenn das nicht Sex in seiner elementarsten Form ist, was ist es dann? Etwa eine neue Art Aerobic?
Unerlclärlicherweise muß ich plötzlich kichern. Es klingt ziemlich durchgeknallt. Man fühlt sich sofort an Zwangsjacken und Gummizellen erinnert, an Patienten, die im Schlafanzug den Rasen saugen.
Als ich erst aus dem Zimmer stürze und dann aus dem Haus zum Wagen renne, mischt sich Weinen unter Gekicher, und das Ganze endet in einem hysterischen Anfall, in einer Mischung aus Schluchzen und Schluckauf. Ich fingere an meinen Autoschlüsseln herum und versuche vergeblich, sie durch den Tränenschleier hindurch ins Schloß zu stecken.
Unter dem Einfluß der Wassermassen, die ich vergieße, scheint das Schloß geschrumpft zu sein, doch schließlich schaffe ich es, ins Innere zu gelangen. In diesem Augenblick kommt Max barfuß über die Straße gehüpft, die Decke um die Hüften gerafft wie ein langes, schleppendes,
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