Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
wodurch sich ungeahnte Effekte darboten. Nicht minder bewundernswert erschien die Architektur dieser Hallen, Wölbungen, Galerien. Oft sprangen die einzelnen Gemächer aus einem breiten Grundpfeiler in der Form von Blumenkelchen vor, die auf schlanken Stielen sich zu wiegen schienen. Diese Stiele enthielten die Treppen verborgen, auf denen man in die Gemächer gelangte. Isma erhielt den Eindruck, daß das Eigentümliche der martischen Kunst, das sie von der menschlichen unterschied, nicht in einer neuen Auffassungsform des Schönen lag; hier wirkten offenbar zeitlose Gesetze als bestimmende Ideen für die freie Gestaltung des Schönen bei allen bewußten Wesen. Der Fortschritt hing vielmehr ab von dem überlegenen Standpunkt der Technik, wodurch sich das Gebiet für die Anwendung des Ästhetischen ins Unermeßliche erweiterte. Nur die Intelligenz ist es, welche der ewigen Idee entgegenwächst. Ell bestätigte diese Bemerkung und stimmte Isma bei, nun zunächst ein oder das andre der technischen Wunderwerke aufzusuchen.
»Ich fürchte nur, ich werde nichts davon verstehen«, sagte Isma.
Sie waren inzwischen wieder in der Eingangsrotunde angelangt und hatten sich nach dem Ausgang hinabsenken lassen, wo ihr Schlitten bereitstand.
»Was soll ich jetzt sehen?«
»Frau Ma hat mir auf die Seele gebunden, Sie nach dem Retrospektiv zu führen. Das ist wohl die neueste und großartigste Entdeckung.«
»Ich habe davon gehört und auch zu lesen versucht, aber Sie müssen mir die Sache noch einmal erklären. Ist es weit bis dorthin?«
»Mit der Stufenbahn wenige Minuten. Aber wir können auch in einer halben Stunde quer durch den Wald fahren, und das will ich eben tun.«
Er lenkte den Radschlitten über eine der Brücken, welche, die Bahnen und Kanäle überschreitend, in die Waldregion führten. Rasch glitt das Gefährt unter den Schatten der Bäume in die Zone der Wohnungen. Isma atmete auf.
»Wie schön, daß wir bald wieder in die Waldeinsamkeit kommen!« sagte sie. »Da denke ich, wir sind daheim unter unsern Tannen, und Sie erzählen mir wieder von den Märchen des Mars –«
»Und dabei packen wir unsre Butterbrote aus und frühstücken.«
»Ach, Ell, ich wünschte, das ginge hier! Mir armem Menschenkind ist es schrecklich langweilig, immer so allein bei verschlossenen Türen essen zu müssen.«
»Hier an der Straße und zwischen den Wohnungen geht es natürlich nicht. Sehen Sie, da ist die großartige Restauration, aber wenn wir zu speisen verlangten, würde man uns sofort jedem ein Extrakabinett anweisen, anders ist es unmöglich. Doch ich habe daran gedacht. Ich habe aus meinem Reisevorrat ein richtiges Erdenfrühstück eingesteckt; zwar das Brot ist trotz des luftdichten Verschlusses etwas altbacken, aber denken Sie, Friedauer Wurst und wirklichen Rheinwein! Wir suchen uns ein Plätzchen, wo uns niemand sehen kann. Ich freue mich wie ein Kind! Jedoch die gute Tante darf um Himmels willen nichts erfahren! Das wäre schlimmer, als wenn ich Ihnen auf dem Marktplatz von Friedau um den Hals fallen wollte!«
»Stille von Friedau! Aber das Frühstück nehme ich an. Wir wollen dem Nu ein Schnippchen schlagen.«
Ihre Augen glänzten schelmisch, indem sie zurückblickte, als fürchtete sie, gehört zu werden.
»Eigentlich darf ich’s ja nicht als Nume. Ich bin da in meine Menschlichkeit zurückgefallen –«
Isma richtete die Augen auf Ell. Er sprach im Scherz, aber sie hörte an der Art, wie er den Satz abbrach, daß ein ernstes Bedenken in ihm aufzutauchen begann.
Ell sah, wie das glückliche Lächeln aus ihren Zügen zu verschwinden drohte, und er griff schnell nach ihrer Hand.
»Nein, nein«, rief er, »geliebte Freundin, für Sie will ich nichts sein als der Mensch, der glücklich ist, wenn er Ihnen dienen kann. Aber ganz leicht ist es nicht. Denn sehen Sie – ein Nume soll ich nicht sein, damit Sie mich nicht verändert finden; und von der Erde soll ich nicht reden, damit Sie nicht traurig werden –«
»Sie haben recht, mein treuer Freund – ich weiß ja selbst nicht, was ich will – ich verdiene gar nicht, daß Sie so gut sind –«
Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest. Seine Rechte lenkte den Radschlitten mühelos auf der glatten Bahn. Die letzten Wohnungen verschwanden. Dichtes Buschwerk bildete auf dem freien Rasen des Bodens ein Labyrinth von Plätzen und Gängen. Ein leichter, erfrischender Luftzug strömte über den Boden, denn die Lichtungen und die Industriestraßen, auf denen die Sonne
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