Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
Stockwerke führten, nach den Plakaten und Anschlägen, die sie von hier aus nicht zu entziffern vermochte, erkannte sie, daß der Weg selbst, auf dem ihr Radschlitten hinglitt, mit der dreifachen Geschwindigkeit eines irdischen Schnellzugs sie fortriß.
Mit Erstaunen blickte sie auf ihren Nachbar zur Rechten, der den Wagen mit einer Sicherheit zwischen den übrigen hinlenkte, als wäre er seit Jahren an diese Beschäftigung gewöhnt. Allerdings hatte Ell bereits die wenigen Tage seines Aufenthalts benutzt, um sich gründlich in der Umgebung umzusehen. Er wohnte nicht weit von der Illschen Villa in einem eigenen Häuschen, hatte sich aber immer nur des Abends auf eine Stunde bei seinen Verwandten sehen lassen. Isma empfand diese Zurückhaltung nicht gerade als Zurücksetzung. Hatten sich doch beide auch in Friedau stets nur kurze Zeit gesprochen, und mußte sie sich doch sagen, daß ihn die neue Umgebung voll in Anspruch nahm. Aber nach dem gemeinsamen Erlebnis der Reise und hier, in der völligen Fremde, vermißte sie die Nähe des Freundes stündlich, des einzigen, der sie ganz zu verstehen vermochte. Gestern abend war dann der heutige Ausflug verabredet worden.
Beide hatten, seitdem sie die Stufenbahn benutzten, kaum miteinander gesprochen. Ell mußte seine Aufmerksamkeit ganz auf den Weg richten, und Isma musterte neugierig und überrascht die Gesichter und Trachten rings um sie her. Offenbar strömten hier alle Klassen der Bevölkerung durcheinander, das ärmlichste Kleid erschien neben der elegantesten Toilette, der einfache Arbeitsanzug herrschte vor. Sie bemerkte bald, daß ihre von Ma ausgewählte Toilette sich sehen lassen durfte und sie sowohl wie ihr Gefährte nur durch ihre Züge und ihre bleichere Gesichtsfarbe auffielen.
Nun wendete sich Ell wieder zu ihr. »Wir sind am Ziel«, sagte er. »jene helle Zahl dort – 608 – zeigt es an; bei 609 müssen wir die Bahn verlassen.«
Er lenkte das Gefährt nach rechts. Die Bewegung verminderte sich merklich, Isma mußte sich fest im Wagen zurücklehnen. Jetzt glitt der Wagen auf die ruhende Straße. Nach wenigen Augenblicken hielt er unter einem Riesenportal hinter einer langen Reihe ähnlicher Fahrzeuge.
Ell half Isma aus dem Wagen.
»War es Ihnen unangenehm?« fragte er, ihre Hand festhaltend. Sie erwiderte den leisen Druck seiner Finger. Sie freute sich, in seinen Augen wieder die gewohnte Sorge um sie zu lesen, die sie daheim so oft im stillen beglückt hatte.
»Zuletzt begann ich etwas schwindlig zu werden«, antwortete sie. »Ich bin ganz froh, wieder einmal ein Stück zu Fuß gehen zu können. Wo führen Sie mich denn hin?«
Er sah sie noch immer an. »Ich bin so glücklich, Sie hier zu haben!«
Sie hob die Augen bittend zu ihm auf.
»Was wollen Sie sehen?« fragte er in anderem Ton. »Wir sind hier am Museum der Künste. Eine oder die andre Abteilung wollen wir betrachten.«
»Was Sie wollen!« sagte Isma heiter. »Wir ziehen nun einmal auf Abenteuer aus.«
Ein Beamter befestigte eine Marke an Ells Wagen und reichte ihm die Gegenmarke. Dann schritten sie beide der Tür eines Aufzugs zu und ließen sich in das erste Stockwerk heben.
29. Kapitel – Das heimliche Frühstück
I sma und Ell standen vor einem prachtvollen Portal, das die Aufschrift trug: ›Museum der schönen Künste‹. Es führte auf eine kreisförmige Galerie, die eine mächtige Rotunde umschloß. Der Blick öffnete sich sowohl nach unten wie nach oben. Man glaubte unten in das Gewühl des wirklichen Lebens zu blicken, in rascher Veränderung, von den Seiten immer neu herandrängend, sah man Gestalten in ihren gewohnten Beschäftigungen, in der Arbeit des Tages, andere mit dem Ausdruck des Leidens und den Mängeln der Wirklichkeit. Aber in der Mitte emporwallende Nebel umhüllten diese Figuren und hoben sie langsam in die Höhe. Je höher sie emporstiegen, um so mehr verschwand der Nebel und löste sich nach oben in immer helleres Licht auf. Die Gestalten wechselten ihren Ausdruck, ihre Blicke wurden frei, ihre Mienen verklärt, sie waren zu Werken der Kunst, zu reinen Formen geworden. Sie schienen zu ruhen, und doch stiegen immer neue Gestalten auf, ohne daß jene Bilderwelt an der Kuppel der Wölbung zunahm oder sich überfüllte. Es wär nicht möglich zu verfolgen, wie dieser Übergang in die Höhe sich vollzog, ein lebendiges Abbild des Mysteriums in der Seele des Künstlers.
»Eine symbolische Darstellung des künstlerischen Schaffens«, sagte Ell.
»Aber wo kommen
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