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Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Titel: Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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einen allgemeinen Staatenkongreß zu berufen, und konnte sich vorläufig nur noch nicht über das vorzulegende Programm und den Ort des Zusammentritts einigen. Während man sich auf der einen Seite einer gewissen Solidarität der politischen Interessen aller Staaten gegenüber den Martiern bewußt war, zeigten sich doch auf der andern Seite sehr verschiedene Auffassungen über den zu erwartenden kulturellen Einfluß der Martier. Die Presse aller Nationen beschäftigte sich aufs eifrigste mit der Mars-Frage, und eine unübersehbare Menge von Meinungen und abenteuerlichen Hypothesen erfüllte die Blätter und erhitzte die Gemüter.
    Die Quelle aller dieser Erwägungen war das Buch von Ell über die Einrichtungen der Martier und die Erklärungen, welche Grunthe aus seinen Erfahrungen am Nordpol dazu geben konnte. Ein Verständnis derselben, wenigstens im größeren Publikum, war jedoch nicht zu erreichen. Der Sprung von der technischen und sozialen Kultur der Menschen zu der Entwicklung, welche diese bei den Martiern erreicht hatte, war zu groß, als daß man sich in letztere hätte finden können. Gerade die ersten Mahnungen Grunthes, man möge sich unter keinen Umständen in einen Konflikt mit den Martiern einlassen, weil ihre Macht alle menschlichen Begriffe überstiege, fanden am wenigsten Gehör; dazu waren sie schon viel zu wissenschaftlich in der Form.
    Man stellte sich wohl vor, daß sich die Martier durch wunderbare Erfindungen eine ungeheure Macht über die Natur angeeignet hätten, aber man hatte keinerlei Verständnis dafür, wie ihre ethische und soziale Kultur sie den Gebrauch dieser Macht benutzen, mäßigen und einschränken ließ. Vor allem blieb das eigentliche Wesen ihrer staatlichen Ordnung trotz der Erläuterungen in Ells Buch ein Rätsel. Die individuelle Freiheit war so überwiegend, die Entscheidung des einzelnen in allen Lebensfragen so ausschlaggebend und so wenig von staatlichen Gesetzen überwacht, daß vielfach die Ansicht ausgesprochen wurde, das Gemeinschaftsleben der Martier sei durchaus anarchistisch. In der Tat, die Form des Staates war auf dem Mars an kein anderes Gesetz gebunden als an den Willen der Staatsbürger, und so gut ein jeder seine Staatsangehörigkeit wechseln konnte, so konnte auch die Majorität, ohne in den Verdacht der Staatsumwälzung oder der Staatsfeindschaft zu kommen, von monarchischen zu republikanischen Formen und umgekehrt übergehen. Keine Partei nahm das Recht in Anspruch, die alleinige Vertreterin des Gemeinschaftswohls zu sein, sondern in der gegenseitigen, aber nur auf sittlichen Mitteln beruhenden Messung der Kräfte sah man die dauernde Form des staatlichen Lebens. Es gab keinen regierenden Stand, so wenig es einen allein wirtschaftlich oder allein bildend tätigen Stand gab. Vielmehr war zwischen diesen Berufsformen ein stetiger Übergang, so daß ein jeder, ganz nach seinen Fähigkeiten und Kräften, diejenige Betätigungsform erreichen konnte, wozu er am besten tauglich war. Dies war freilich nur möglich infolge des hohen ethischen und wissenschaftlichen Standpunktes der Gesamtbevölkerung, wonach die Bildungsmittel jedem zugänglich waren, aber von jedem nur nach seiner Begabung in Anspruch genommen wurden. Natürlich bedeutete das nicht die Herrschaft des Dilettantismus, sondern jede Tätigkeit setzte berufsmäßige Schulung voraus, der Eintritt in höhere politische Stellen vor allem eine tiefe philosophische Bildung. Aber der Fähige konnte sie erwerben. Und dies beruhte wieder darauf, daß die Beherrschung der Natur durch Erkenntnis die unmittelbare Quelle des Reichtums in der Sonnenstrahlung erschlossen hatte.
    Andere wieder behaupteten, die Staatsform der Martier sei durchaus kommunistisch. Auch hierfür schien manches zu sprechen. Denn wenn auch, was Ell nicht genügend hervorgehoben hatte, die Verwaltung der großen Betriebe der Strahlungssammlung, des Verkehrs und so weiter tatsächlich in der Hand von Privatgesellschaften lag, so war doch das Anlagekapital Staatseigentum. Es existierte auch eine staatliche Konzentration der wirtschaftlichen Tätigkeit, obwohl diese der Arbeit des einzelnen völlig freie Hand ließ und keineswegs die Güterproduktion durch Vorschriften regelte. Aber die Zentralregierung, deren Mitglieder auf eine zwanzigjährige Amtsdauer erwählt wurden, setzte unter Einwilligung des Parlaments einen ›Strahlungsetat‹ fest, das heißt, es war dadurch für ein Jahr im voraus bestimmt, welches Maximum von Energie der Sonne

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