Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
will jetzt einmal gar nicht von dem unentschuldbaren Frevel sprechen, der in der kulturwidrigen Einrichtung des Zweikampfes selbst liegt, sondern die Sache rein praktisch betrachten. Wird denn dadurch irgend etwas bewiesen? Würde man nicht erst recht sagen, es muß doch etwas Wahres dran sein?«
»Jedenfalls würde man Achtung vor dem Mann bekommen.«
»Meiner Ansicht nach müßte man ihn verachten; denn er hätte eine unsittliche Handlung begangen. Ein Mann wie Torm kann auf die Achtung derer verzichten, die sie an so verwerfliche Bedingungen knüpfen. Und so jeder Mann von sittlichem Ernst. Der schiene mir verachtungswert, der nicht seine eigne Würde und das Bewußtsein seines Rechts so hochschätzte, daß sie nicht gekränkt werden können durch das Gerede des Pöbels in Glacéhandschuhen.«
»Na, na, Sie sprechen da in einer Weise, die – die etwas eigentümlich –«
»Ja, Herr von Schnabel, ich habe mich auch überzeugt, daß wir alle mehr auf unsern eignen Wert und unser freies Urteil bauen müssen als auf die sogenannte Ansicht der Gesellschaft, die sich auf Irrtümern aufbaut. Dadurch sind wir im Begriff, den Wert dieser Gesellschaft zu heben. Es müssen sich diejenigen zusammenfinden, die der Unabhängigkeit ihres Urteils sich freuen. Das allein sind die Gentlemen. Ich bin überzeugt, auch Sie werden sich noch bei uns einfinden, wenn Sie sich die Sache überlegen. Daß Torm ebenso denkt, darauf kann ich Ihnen mein Wort geben.«
Herr von Schnabel ging einige Tage in verdrießlichen Gedanken umher. Auch Dr. Wagner war dem Menschenbund beigetreten. Die Zahl derer, die seinen Ansichten beistimmte, wurde immer kleiner. Er wälzte Pellingers Worte hin und her. Endlich suchte er Grunthe auf.
Es war ein langes Gespräch, das sie führten. Vornehmlich drehte es sich um die Persönlichkeit von Ell und die Ziele des Menschenbundes.
Als Herr von Schnabel die Sternwarte verließ, war er Mitglied geworden. Nicht irgendein besonderes, durchschlagendes Ereignis hatte seine Sinnesänderung bewirkt. Der Sieg des Idealismus übte eine assimilierende Kraft der Veredelung aus.
54. Kapitel – Auf der Sternwarte
E s begann bereits zu dunkeln, als die beiden Freundinnen nach kurzer Wanderung bergab die Haltestelle der elektrischen Bahn erreichten. Sie nahmen sogleich in dem bereitstehenden Wagen Platz, der sich nach wenigen Minuten in Bewegung setzte. Die helle Beleuchtung im Innern des Wagens verhinderte sie, etwas von der anmutigen Gegend, durch die sie fuhren, zu erkennen. Trotzdem verging ihnen die Zeit rasch, denn La war glücklich, zum erstenmal von der leidenschaftlichen Liebe und Sehnsucht sprechen zu können, die sie so lange stillschweigend und duldend hatte im Herzen verbergen müssen. Se hörte ihr teilnehmend zu, manchmal schüttelte sie leise den Kopf, immer aber mußte sie wieder mit Bewunderung auf die Freundin blicken, die mutig und entschlossen den unerhörten Schritt vom Nu zur Erde wagen wollte. Wenn sie dann ihre Augen glückstrahlend leuchten sah, so konnte sie nicht zweifeln, daß sie alle Hindernisse siegreich zu überwinden wissen werde. Sie saßen allein in ihrem Wagenabteil und konnten darum ungestört miteinander plaudern. Und dabei fragte Se:
»Eines, liebste La, ist mir doch noch bedenklich. Du sagst, zwei Jahre lang, zwei Menschenjahre, hast du ihn nicht gesehen, nicht direkt mit ihm verkehrt. Das ist lange Zeit für einen Mann. Deiner bist du sicher, aber weißt du denn, wie es mit ihm steht? Ob er dich denn noch will? Hast du nie diesen Zweifel gehabt?«
»Niemals«, sagte La entschieden. »Niemals seit jenem Augenblick, da ich ihn unter Tränen in meinen Armen hielt, da ich ihm gestand, daß ich sein bin. Das war kein Spiel, das waren keine Küsse und Liebesworte, die wie Frühlingsblumen im Sonnenschein sprießen und über Nacht im Strauß verwelken. Das wissen wir beide, die unser Wissen um das Glück mit dem Wissen um das Elend erkauften, daß wir uns nie gehören können. O Se, du Kleinmütige, du weißt nicht, wie stolz die Liebe macht; ich weiß jetzt, wie man es werden kann. Glaubst du, daß der vergessen kann, um den diese Augen aus Liebe weinten? Nein, ich bin La, ich bin seine La, und das denken wir beide zu jeder Stunde, denken’s und fühlen’s in tausend Schmerzen, und ob wir es uns auch niemals wieder sagen, wir zweifeln nicht.«
La schwieg und versank in Träumerei. Sie schloß die Augen und wollte sich nach ihrer Gewohnheit im Sitz zurücklehnen. Aber der
Weitere Kostenlose Bücher