Aufbruch der Barbaren
sehen…«
»Es heißt, daß sie sich flach auf den Boden auf die Lauer legen und ihre unvorsichtigen Opfer einfach in das Maul laufen lassen.«
»Und sie haben wohl Wurzeln geschlagen, daß sie niemals herauskommen und sich ihre Opfer anderswo holen?«
»Wird ein Zauber sein, der sie dort festhält«, erwiderte Urgat und wand sich ein wenig unter Nottrs Blick.
Nottr grinste. »Ich hätte gute Lust, die Vorhut zu inspizieren und mir diesen Wald der Riesen näher anzusehen.«
»Nein, Hordenführer!« warf eine neue Stimme ein. Juccru war unbemerkt zu den beiden getreten und hatte einen Teil der Unterhaltung mitangehört. »Es ist gefährlich.«
»Was weißt du davon?« fuhr ihn Nottr verärgert an.
»Als Schamane der Quaren weiß er, was alle Quaren wissen«, antwortete Urgat für ihn.
»Nämlich?«
»Daß es gefährlich ist«, erklärte Urgat grinsend und fügte rasch hinzu: »Spar deinen Grimm, Hordenführer. Du kannst dich morgen überzeugen. Diese Riesen geben unheimliche Laute von sich, die weit zu hören sind.«
»Ich weiß nicht, wer oder was diese Riesen sind«, sagte der Schamane, »aber ich spüre etwas über dem Land, Hordenführer… etwas Grauenvolles… etwas, über das selbst die Geister, die mich beherrschen, nicht zu reden wagen.« Er schüttelte sich.
»Die Finsternis?« fragte Nottr.
Juccru zuckte hilflos die Schultern. »Das weiß ich nicht… noch nicht. Ich werde heute nacht erneut die Geister befragen, aber ich habe Furcht…« Er packte Nottr am Arm, als wollte er ihn von etwas zurückhalten. »Ich weiß, du schätzt meinen Rat nicht… aber geh nicht in diesen Wald, ohne mich angehört zu haben.«
*
Als die Trommel schlug und die Horde sich wieder in Bewegung setzte, blieb Juccru in Urgats Nähe, und als Nottr schließlich mit seinem Begleittrupp zurückblieb, um von anderen Unterführern der Hauptmacht Lagerberichte einzuholen, ritt der Schamane an Urgats Seite.
»Erzähl mir über diesen… anderen, Urgat.«
»Haben dir deine Ohren oder deine Geister mein Geheimnis zugeflüstert, Schamane?«
»Meine Ohren, Führer der Quaren«, erwiderte Juccru gleichmütig.
»Es war früher nicht deine Art, hinter mir herzuhorchen.« Ärger klang aus Urgats Stimme.
»Es sind keine gewöhnlichen Zeiten. Bedenke, daß ich ein treuer Berater der Herrscher der Quaren war schon in den letzten Tagen Wilsheks, der dein Großvater war, und Utrags, der dein Vater war. Ich war der beste in diesen Tagen, erwählt von Nordali, der Tochter des Wintergottes selbst. Du sollst es wissen, ich gehöre zu den Söhnen Imrirrs…!«
Urgat starrte ihn an, und sein Blick war nicht ohne Ehrfurcht. Dann kehrte sein Ärger zurück, und er sagte: »Wir sind alle Söhne und Töchter Imrirrs, hast du das vergessen?«
»Habe ich dich je schlecht beraten?«
Zögernd erwiderte Urgat: »Nein.«
»So hör’ mich an. Nur einer war so gut wie ich, vielleicht noch besser… Skoppr. Aber die Wolfsgeister haben ihn zu sich geholt. So wie sie Nottres Gefährtin holten. So wie sie seinen Sohn holen werden…«
»Nottres Sohn?« entfuhr es dem Quarenführer.
»Er ist in Gefahr.«
»Weiß Nottr…?«
»Er weiß es. Aber es ist keine Gefahr, vor der ihn Wachen oder Schwerter schützen könnten. Die Geister pochen an sein Zelt und werden sich holen, was er trotz meines Rates verweigert.«
»Kannst du nichts tun?«
Der Schamane schüttelte traurig den Kopf. »Ich kann nur sehen und warnen. Aber ich kann auch nur warnen, wenn ich sehe. Du hast dich verändert in den letzten beiden Tagen. Du bist unruhig, und manchmal ist ein verlorener Ausdruck in deinen Augen. Ich weiß, daß es ein Geheimnis ist, das du von den Voldend-Bergen zurückgebracht hast. Ist es der Grund für deine Freundschaft mit deinem einstigen Rivalen Nottr?«
»Ja«, sagte Urgat rauh.
»Niemand in den Wildländern vermag mit Geistern so gut umzugehen wie ich. Nur ich kann dir in deiner Besessenheit helfen. Laß mich Anteil haben an deinen Geistern.«
Urgat antwortete nicht, doch Juccru ritt beharrlich neben ihm her.
Nach langem Schweigen sagte Urgat: »Ich war so sehr damit beschäftigt, meine Furcht vor den Augen meiner Krieger zu verbergen, daß ich vergaß, daß es längst nicht mehr mein Geheimnis allein ist. Es gibt zu viele, die von meiner Besessenheit und der meiner Begleiter in den Voldend-Bergen wissen, als daß ich es verbergen könnte. Gestern kam Calutt zu mir…«
»Der Schamane der Urojen, ich weiß… ich sah ihn an deiner Seite
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