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Alle meine Wünsche (German Edition)

Alle meine Wünsche (German Edition)

Titel: Alle meine Wünsche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grégoire Delacourt
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M an lügt sich immer an.
    Ich weiß zum Beispiel genau, dass ich nicht hübsch bin. Ich habe keine blauen Augen, in denen sich die Männer verlieren, in denen sie versinken wollen, damit man hinterherspringt und sie rettet. Ich habe keine Mannequin-Taille, ich bin eher drall, sogar füllig. Der Typ, der anderthalb Plätze braucht. Ich habe einen Körper, den die Arme eines mittelgroßen Mannes nicht ganz umfassen können. Ich habe nicht die Anmut der Frauen, denen man lange Sätze mit Seufzern als Satzzeichen ins Ohr flüstert, nein. Ich verleite eher zu kurzen Sätzen. Deftigen Bissen. Der Knochen des Verlangens ohne Schwarte, ohne das gemütliche Fett.
    Das weiß ich alles.
    Und trotzdem gehe ich manchmal, wenn Jo noch nicht zu Hause ist, hoch in unser Schlafzimmer und stelle mich vor den Spiegel unseres Kleiderschranks – ich muss ihn daran erinnern, den Schrank an der Wand zu befestigen, bevor er mich eines schönen Tages während meiner Kontemplation zerschmettert.
    Ich schließe die Augen und ziehe mich langsam aus, so, wie mich noch nie jemand ausgezogen hat. Jedes Mal wird mir ein bisschen kalt und ich erschauere. Wenn ich ganz nackt bin, warte ich einen Moment, bevor ich die Augen öffne. Ich genieße. Lasse die Gedanken schweifen. Träume. Ich sehe die ergreifenden, schmachtenden Körper aus den Kunstbüchern vor mir, die bei meinen Eltern herumlagen; später dann die derberen Körper aus den Zeitschriften.
    Dann hebe ich langsam, wie in Zeitlupe, die Lider.    
    Ich betrachte meinen Körper, meine schwarzen Augen, meine kleinen Brüste, meinen Schwimmring, meinen Wald aus dunklem Schamhaar, und finde mich schön; und ich schwöre Ihnen, in diesem Moment bin ich schön, sehr schön sogar.
    Diese Schönheit macht mich zutiefst glücklich. Unglaublich stark.
    Sie lässt mich alles Hässliche vergessen. Den ziemlich langweiligen Kurzwarenladen. Das Geschwätz und das Lotto von Danièle und Françoise – den Zwillingen, die den Salon Coiff’Esthétique neben dem Kurzwarenladen führen. Diese Schönheit lässt mich alles Erstarrte vergessen. Wie das Leben ohne Geschichten. Wie diese entsetzliche Stadt ohne Flughafen, diese graue Stadt, aus der man nicht fliehen kann und in die nie jemand kommt, kein Herzensbrecher, kein weißer Ritter auf einem weißen Pferd.
    Arras. Zweiundvierzigtausend Einwohner, vier Shoppingcenter, elf Supermärkte, vier Fast-Foods, ein paar mittelalterliche Straßen, eine Tafel in der Rue du Miroir-de-Venise, die Passanten und Vergessliche darauf hinweist, dass hier am 24. Juli 1775 Eugène-François Vidocq geboren wurde. Und mein Kurzwarenladen.
    So nackt und schön vor dem Spiegel kommt es mir vor, als müsste ich nur mit den Armen schlagen, um leicht und anmutig davonzufliegen. Damit sich mein Körper zu denen der Kunstbücher gesellt, die im Haus meiner Kindheit herumlagen. Dann wäre er genauso schön wie sie, für immer.
    Aber ich traue mich nie.
    Jedes Mal überrascht es mich, wenn ich Jo nach Hause kommen höre. Ein Riss in der Seide meines Traums. Ich ziehe mich hastig wieder an. Schatten bedecken die Klarheit meines Körpers. Ich weiß um die seltene Schönheit unter meinen Kleidern. Aber Jo sieht sie nie.
    Einmal hat er mir gesagt, ich sei schön. Es ist ewig her, ich war gerade Anfang zwanzig. Ich war hübsch angezogen, ein blaues Kleid, ein vergoldeter Gürtel, ein Hauch von Dior; er wollte mit mir schlafen. Sein Kompliment siegte über mein hübsches Kleid.
    Sie sehen, man lügt sich immer an.
    Weil die Liebe die Wahrheit nicht ertragen könnte.    

    J o, das ist Jocelyn. Mein Ehemann seit einundzwanzig Jahren.
    Er ähnelt Venantino Venantini, dem schmucken Kerl, der in Scharfe Sachen für Monsieur Mickey den Stotterer und in Mein Onkel, der Gangster Pascal den Killer spielte. Entschlossenes Kinn, finsterer Blick, italienischer Akzent, bei dem man dahinschmilzt, Sonne, gebräunte Haut, ein Gurren in der Stimme, von dem die Gänschen Gänsehaut bekommen, nur dass mein Jocelyno Jocelyni zehn Kilo mehr hat und sein Akzent die Mädchen weiß Gott nicht dahinschmelzen lässt.
    Er arbeitet bei Häagen-Dazs, seit der Eröffnung des Werks 1990. Er verdient 2400 Euro im Monat. Er träumt von einem Flachbildschirm anstelle unseres alten Radiola-Fernsehers. Von einem Porsche Cayenne. Von einem Kamin im Wohnzimmer. Von der kompletten Sammlung der James-Bond -Filme auf DVD. Von einem Seiko-Chronograph. Und von einer schöneren und jüngeren Frau; aber das sagt er mir

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