Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
1.
Kapitel
Freie
Parkplätze, so bin ich der festen Überzeugung, existieren nur in einem
Paralleluniversum. Gerade als ich glaubte, endlich eines dieser raren Exemplare
gefunden zu haben, blinkte der Wagen vor mir und parkte mit einer schwungvollen
Bewegung ein. Mist! Ein schneller Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich jetzt
nehmen musste, was kam, ich konnte einfach nicht mehr wählerisch sein. Die
nächste freie Lücke war zwar im Halteverbot, aber das Risiko musste ich jetzt
wohl oder übel in Kauf nehmen. Gesagt, getan, ich parkte ein, schnappte meine
Tasche aus dem Auto, schloss ab und lief mit großen Schritten los, genau, als
die Glocken der nahen Christophorus-Kirche acht Uhr schlugen.
„Ganz
große Klasse, Laura, ganz prima! Das hast du ja mal wieder toll hinbekommen“,
fluchte ich leise vor mich hin, meine Schritte noch einmal beschleunigend.
Und
das alles war nur passiert, weil mein Wecker es anscheinend noch nicht
mitbekommen hatte, dass die Sommerferien vorbei waren. Er hatte mich am Morgen
im Stich gelassen, während ich noch von Sonnenuntergängen am Meer geträumt
hatte. Erst als ich mich gewundert hatte, dass das Rauschen des Meeres eher
klang wie der Wagen der städtischen Müllabfuhr, war ich wach geworden und mit
einem Schlag hellwach. Ein Blick auf meine Uhr hatte meine schlimmsten
Befürchtungen bestätigt. Ich hatte verschlafen und war mehr als knapp dran. Bis
zum Schulbeginn waren es nur noch dreißig Minuten und alleine um zur Schule zu
gelangen, brauchte ich schon zwanzig Minuten. In Rekordzeit hatte ich meine
langen, braunen Haare zu einem wilden Knoten gebunden, war schnell unter die
Dusche gesprungen und in die erstbesten sauberen Kleider geschlüpft, die mir in
meinem Schrank zwischen die Finger geraten waren. Und nicht mal zehn Minuten
später hatte ich bereits im Wagen auf dem Weg zur Schule gesessen. Frühstück
hatte leider ausfallen müssen, vielleicht konnte ich mir in der Pause etwas am
Kiosk um die Ecke kaufen. Und falls nicht, würde es mich auch nicht umbringen,
wenn ich mal auf eine Mahlzeit verzichtete.
Unter
Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln hatte ich es dann tatsächlich geschafft
kurz vor acht an der Schule einzutreffen. Zielsicher war ich auf dem
Schulparkplatz auf meinen eigenen Platz zugesteuert und hatte gerade noch im
letzten Moment bremsen können. Andernfalls wäre ich in den Wagen gerauscht, der
auf meinem Parkplatz stand. Und was für ein Schlitten das war! Dieses Cabrio
kostete gut und gerne eines meiner Jahresgehälter, wenn nicht noch mehr. Aber
über den Preis des Fahrzeugs zu rätseln, ließ den Parkplatz auch nicht auf
magische Art und Weise frei werden. Laut fluchend war mir nichts anderes übrig
geblieben, als den Rückwärtsgang einzulegen und in der näheren Umgebung
Ausschau nach einem neuen Parkplatz zu halten.
Und
deshalb hatte ich nun einen Parkplatz, der gefühlte hundert Kilometer von der
Schule entfernt war und ich zusehen musste, dass ich nicht zu spät kam. Der
Unterricht begann zwar an diesem Tag nicht zur ersten Stunde, jedoch bestand
für das Kollegium unbedingte Anwesenheitspflicht, da die erste Stunde zugleich
auch die erste Konferenz des Schuljahres war. Und da fiel es besonders auf,
wenn man nicht pünktlich war, zumal ich mich dunkel daran erinnern konnte, dass
mir so etwas Ähnliches bereits im Jahr zuvor passiert war. Ich wechselte von
eiligen Schritten zu einer Art Dauerlauf.
Eine
gefühlte Ewigkeit später betrat ich das Schulgebäude, das um diese Zeit noch in
völliger Stille lag. Rasch machte ich mich auf zum Lehrerzimmer und blieb vor
der Tür stehen. Wenn ich vielleicht ganz leise die Tür öffnete und ganz schnell
zu meinem Platz ging, fiel es vielleicht niemandem auf, dass ich zu spät war.
Ich öffnete die Tür, ging zielstrebig zu meinem üblichen Platz und blieb abrupt
stehen. Das konnte doch nicht wahr sein, ging denn heute alles schief?
Ein
Mann, vermutlich der neue Kollege, der vor den Ferien angekündigt worden war,
saß auf meinem Platz. Ich zählte eins und eins zusammen, die
Wahrscheinlichkeit, dass er für meinen besetzten Parkplatz verantwortlich war,
lag bei, vorsichtig geschätzten, hundert Prozent. So viel zu meinem unauffälligen
Auftritt. Verzweifelt sah ich mich nach einer neuen Sitzgelegenheit um. Die
einzige, die sich mir bot, war die neben Herrn Schuhmann, dem Direktor. Da
hätte ich gleich mit einer Trompete reinplatzen und musizierend zu meinem Platz
spazieren
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