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Auferstehung 4. Band (German Edition)

Auferstehung 4. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 4. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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eine solche Liebe war seiner Meinung nach nicht allein kein Hindernis, sich den Schwachen gegenüber hilfreich zu zeigen, nein, sie war sogar ein Ermunterungsmittel dazu.
    In derselben Weise, wie er Fragen der Sittlichkeit und Moral auf seine Weise erledigte, ebenso verfuhr er auch bei der Mehrzahl der praktischen Fragen nach seinem eigenen Ermessen. Er hatte sich für praktische Angelegenheiten seine eigenen Theorien zurechtgelegt, er stellte bestimmte Regeln und Gesetze auf, wieviel Stunden man arbeiten, wieviel Stunden man sich ausruhen solle, wie man sich ernähren und wie man sich kleiden müsse, ja, selbst, wie man den Ofen heizen und Licht anstecken solle.
    Dabei war Simonson aber im höchsten Grade schüchtern, zurückhaltend und bescheiden, dagegen ließ er sich aber, wenn er einmal einen Entschluß gefaßt, durch nichts davon abbringen.
    So war dieser Mensch beschaffen, der Katuscha liebte, und gerade dadurch einen gewaltigen Einfluß auf sie ausübte. Mit dem jedem weiblichen Wesen innewohnenden Taktgefühl erkannte Katuscha das sehr bald, und das Selbstbewußtsein, daß sie sich die Liebe eines so außergewöhnlichen Menschen zu erringen gewußt, erhöhte sie in ihren eigenen Augen. Nechludoff hatte ihr aus Großmut und mit Rücksicht auf die Ereignisse der Vergangenheit versprochen, sie zu heiraten; Simonson aber liebte sie so, wie sie eben war; er liebte sie eben, weil er sie liebte.
    Ferner hatte sie die Empfindung, Simonson betrachte sie als ein außergewöhnliches Wesen, das sich von allen andern Frauen durch besonders hohe moralische Vorzüge unterschied. Sie war sich noch nicht darüber klar geworden, welche Vorzüge er in ihr vermutete, doch war sie jedenfalls, um ihn in seinen Erwartungen nicht zu täuschen, auf das eifrigste bestrebt, die trefflichsten Vorzüge zur Schau zu tragen, die sie sich nur denken konnte. Und deshalb war sie bemüht, so gut zu sein, wie sie es nur irgend im stande war. Damit hatte sie schon im Gefängnis angefangen, als sie den Verkehr der politischen Gefangenen miteinander angesehen und dabei bemerkt hatte, wie Simonson seine unschuldigen, gütigen, dunkelblauen Augen unter der gesenkten Stirn oft längere Zeit auf ihr ruhen ließ. Schon damals war es ihr zum Bewußtsein gekommen, daß er ein ganz hervorragender Mensch war, und daß er sie immer ganz eigentümlich anschaute. Es war ihr auch aufgefallen, daß dieser unbewußt finstere und auffallende Gesichtsausdruck nur durch die wirren Haare und die zusammengezogenen Augenbrauen erzeugt wurde, daß sich aber in diesen düsteren Ausdruck eine kindliche Harmlosigkeit und Unschuld in ganz eigentümlicher Weise mischte.
    Als sie in Tomsk der Abteilung der politischen Gefangenen zugewiesen wurde, sah sie ihn wieder, und obwohl sie nicht ein einziges Wort miteinander austauschten, sagte doch der Blick, den sie wechselten, klar und deutlich, wie hoch sie sich gegenseitig achteten. Auch später kam es nicht zu richtigen Unterhaltungen zwischen ihnen, doch Katuscha hatte die Empfindung, daß er seine Worte an sie richtete, wenn er ihr nahe war, daß er für sie nur sprach und sich stets bemühte, sich ihr so verständlich wie nur möglich zu machen. Seit der Zeit aber, da er mit den schweren Verbrechern zu Fuß wanderte, begannen sie sich gegenseitig näherzutreten.

Drittes Kapitel
    Auf der Reise von Nischni-Nowgorod war es Nechludoff nur zweimal gelungen, Katuscha zu sprechen. Das erste Mal war es in Nischni-Nowgorod gewesen, als man die Gefangenen auf eine mit einem Drahtnetz überflochtene Barke brachte, das andere Mal in Perm im Bureau des Gefängnisses; doch beide Male hatte sie sich schweigsam und zurückhaltend benommen.
    Als er sie gefragt, ob sie sich wohl befände und ob sie denn gar nichts brauche, hatte sie ihm ausweichende, mürrische Antworten gegeben und ihm dasselbe vorwurfsvolle und brummige Wesen gezeigt, das er schon früher einmal an ihr wahrgenommen hatte.
    Nechludoff bereitete diese ihre trübselige Stimmung, die ihren Grund einzig und allein in den zudringlichen Belästigungen von seiten der Männer hatte, unter denen sie gerade damals zu leiden gehabt, große Sorgen. Er hegte die Befürchtung, sie könnte unter der Einwirkung dieser Belästigungen und dieser entsittlichenden Zustände, denen sie während der ganzen Wanderung ausgesetzt war, wieder aufs neue in den vorigen Zustand der Verzweiflung und Vereinsamung zurücksinken, in welchem sie auf ihn im höchsten Grade erbittert gewesen, viel geraucht

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