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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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ich sagen: Angst eingejagt. Aber es sind keine Worte gewesen, die er jetzt auf seiner Zunge gesucht hat. Also praktisch kann es gar nicht seine Zunge gewesen sein, auf der er gesucht hat. Es ist ihm nicht auf der Zunge, sondern quasi auf dem Aug gelegen, weil es ist ja ein Bild gewesen, nach dem er die ganze Zeit gesucht hat. Aber was für ein Bild? Nicht dran denken, nicht dran denken.
    «Der Vergolder», sagt die Deutsche. Weil das ist natürlich ihre Antwort auf seine Frage gewesen, wer die Amerikaner denn ihrer Meinung nach umgebracht hat. Aber das ist nur die alte Leier gewesen, die den Brenner jetzt überhaupt nicht interessiert hat.
    Aber jetzt paß auf. Weil einen Moment lang, also das ist vielleicht nur wie bei einem Abfahrtslauf gewesen, wenn der Sieger eine Tausendstelsekunde Vorsprung hat, nur so eine Tausendstelsekunde lang hat der Detektiv jetzt an etwas ganz anderes gedacht.
    Wie er das erste Mal mit einer U-Bahn gefahren ist. Da ist er 18 gewesen, da ist er nach der Matura nach London gefahren. Und wenn man in einer Station gewartet hat, dann hat man gewußt, jetzt kommt die U-Bahn, noch bevor man sie gesehen oder gehört hat. Weil da hast du schon eine Station vorher den Luftzug gespürt, weil die U-Bahn praktisch ein Luftpolster vor sich hergeschoben hat.
    «Sagen Sie das noch einmal», sagt der Brenner.
    «Der Vergolder», sagt die Deutsche noch einmal.
    «Ich hätte eine Bitte», sagt der Detektiv.
    «Wenn ich Ihnen helfen kann», sagt die Deutsche, und sie hat dabei sogar noch gelächelt.
    «Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie Ihre Brille noch einmal abnehmen?»
    Jetzt, an und für sich wäre das nicht auffällig gewesen, daß die alte Frau so viele Falten um ihre Augen gehabt hat. Aber das ist so ein richtiger Strahlenkranz gewesen. Und das hat den Brenner jetzt an die Millionen feiner Krähenfüße erinnert, die seine Tante Klara im Alter auf der Oberlippe bekommen hat.
    Die hat hartnäckig jedem erklärt, daß das vom Rauchen kommt, weil sie ist eine starke Raucherin gewesen, und sie hat sich eingebildet, wenn man zieht bei der Zigarette, da bilden sich diese Ziehharmonikafältchen auf der Oberlippe. Aber dann hat auch ihre Halbschwester im Alter genau die gleichen Falten bekommen, und das ist Brenners Mutter gewesen, und die hat ihr Leben lang nie geraucht.
    Und jetzt sagt der Brenner zur Handlosen:
    «Ich habe immer geglaubt, das ist von der Augenoperation gekommen. Die Augen von Ihrem Bruder sind immer so zusammengekniffen gewesen, als würde er in die Sonne schauen. Und Millionen Krähenfüße um die Augen. Ich habe automatisch geglaubt, das kommt von der Operation.»
    «Nein, nein, das kommt nicht von der Augenoperation», hat jetzt die Schwester des Vergolders ganz ruhig gesagt, «das liegt bei uns in der Familie. Unsere Mutter hat auch so einen Kranz um die Augen gehabt, nicht erst im Alter, schon so ab vierzig. Eine ledrige, faltige Haut, wie ein ausgetrockneter Lederapfel. Kennen Sie Lederäpfel?»
    «Sie sind, fast fünfzig Jahre nachdem Sie aus Zell verschwunden sind, zurückgekommen. Nur um sich an Ihrem Bruder zu rächen.»
    Der Brenner hat sich selber gewundert, wie seine Stimme dabei gezittert hat. Als hätte er Angst, daß die unübersehbare Ähnlichkeit der Handlosen mit ihrem Bruder, dem Vergolder, sich mit einem Schlag wieder auflöst.
    «Lederäpfel haben eine ledrige, dicke Haut. Oft sagen die Leute auch Kochäpfel dazu, weil man sie kocht und für Kompott verwendet. Oder für Apfelstrudel. Aber wenn man sie schält, schmecken sie auch roh sehr gut.»
    «Haben Sie denn keine Angst gehabt, daß man Sie in Zell wiedererkennt ?»
    Jetzt ist die Handlose aufgestanden und zum Fernseher hinübergegangen. Über dem Fernseher ist noch ein Bücherbrett gewesen, und auf dem ist ein kleiner Fotorahmen gestanden.
    Jetzt kennst du das vielleicht, wenn man in die Wohnung zu alten Leuten kommt, und da hängen überall diese uralten Schwarzweißfotos herum: der Großvater vom Großvater, im Ersten Weltkrieg oder noch früher, oder diese retuschierten Porträts, daß du glaubst, Jahrhunderte alt.
    «Sehen Sie, so sah ich aus, als sie mich fortgetrieben haben. Erkennen Sie irgendeine Ähnlichkeit mit mir?»
    Der Brenner hat nicht gewußt, was er sagen soll. Aber die Handlose hat immer noch was zu sagen gewußt:
    «Man hätte mich in Zell nicht einmal wiedererkannt, wenn ich nicht fünfzig Jahre älter und fünfzig Kilo schwerer gewesen wäre. Wenn ich genau wie damals ausgesehen

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