Aufstand der Vampire
nicht ausgeschlossen war. Aber wo er düster war und sie dämmerrosig, verriet mir das Haus sofort, dass es ihr gehorchte und nicht ihm. Es gab Häuser, die keine Männer mochten, und ich hatte Hollyhock im Verdacht, von dieser Sorte zu sein. Was für ein Glück – ein Mann war ich nicht!
»Komm mit«, sagte Mylady noch einmal, und ich begriff, dass ich wie angewurzelt vor der Kutsche stand und an dem grauen Gebäude hochstarrte, als hätte ich noch nie ein Haus gesehen. Sie stieg die Treppe hinauf, ihre üppigen Röcke mit einer Hand gerafft, und ich folgte ihr etwas zögerlich. Ob ich auch in Zukunft diesen Eingang nehmen durfte oder mich irgendwo seitlich zur Dienstbotentür hineinschleichen musste? Es würde sich zeigen, aber in diesem Moment erinnerte es mich nur wieder daran, dass ich keine Ahnung hatte, was Hollyhock für mich bereithielt. Meine Zukunft war mir nie unklarer gewesen als in diesem Augenblick auf der Treppe – zwischen Haus und Kutsche, Hoffen und Bangen. Alles konnte jetzt passieren.
Als ich zwischen den Säulen hindurchtrat, wusste ich, es gab kein Zurück mehr. Zugegeben, das hätte es auch vorher nicht, aber die Türflügel hatten etwas Bedrohliches an sich, als ich mich ihnen näherte, als wollten sie gleich hinter mir zuschlagen und mich nicht mehr hinauslassen. Natürlich, diese Sorge war absurd, und auch meine Vorstellung von dem einen lahmen und blinden Diener zerschlug sich, als ich das Personal in der Halle versammelt sah, um die Herrschaften zu empfangen. Ein Butler und zwei Diener, eine resolute Frau, sicher die Haushälterin, die etwas an Miss Mountford erinnerte, und drei Hausmädchen. Diese drei, fand ich, hatten auszureichen. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass ich auch so ein Häubchen würde tragen müssen. Überhaupt, man brauchte nicht drei Waisenhäuser oder mehr abzuklappern, wenn Dienstmädchen auf jedem Baum wuchsen, selbst hier draußen auf dem Land.
Ich stand etwas verloren im Schatten der Lady, während der Butler ihr den Hut abnahm und ihr aus einem Jäckchen half, das ich in meiner Ignoranz – zu entschuldigen nur durch das schlechte Licht und die Tatsache, dass ich in meinem Leben zu wenig Modemagazine aus dem alten Jahrhundert zu Gesicht bekommen hatte – für einen Teil des Kleides gehalten hatte. In meinen zu schlichten Sachen versuchte ich mich unsichtbar zu machen, aber die Mühe hätte ich mir auch sparen können – keiner der Diener in ihren dunkelvioletten Livrees, keines der schwarz gekleideten Mädchen würdigte mich auch nur eines Blicks. Was immer sie an natürlicher Neugier besitzen mochten, wurde von Butler und Hausdrache unter Kontrolle gehalten. Erst als Mr. Molyneux, unverändert düster, sich zu seiner Schwester gesellte, brachte mir wieder jemand einen Funken Aufmerksamkeit entgegen.
»Du wirst mit Sally gehen«, sagte er und überließ es mir, zu erraten, welches der drei Mädchen damit gemeint war. »Sie wird dir dein Zimmer zeigen und etwas Angemessenes zum Anziehen geben.«
So kam ich also an das weiße Kleid, an meinen neuen Namen, und an mein neues Leben in Hollyhock Hall. Von diesem Tag an sollte nichts mehr so sein wie zuvor – aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es irgendwie schlimmer als in St. Margaret’s werden konnte.
Wie es weitergeht, erfahren Sie in:
Maja Ilisch
Das Puppenzimmer
Roman
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