Aufstand der Vampire
Bäume sich bunt färbten. Eine Nacht zum Spazierengehen, zum Verlieben – und eine Nacht der Vampire.
Ja, sie waren wieder unterwegs, suchten die letzten Schlupfwinkel der Dämonen auf, um auch diese noch mit Schimpf und Schande zu vertreiben.
Der Dämon trat an das Kellerfenster. Das Glas war herausgeschlagen worden. Nur noch an den Ecken hingen einige scharfe Splitter.
Kniehohes, wild wucherndes Gras verwehrte dem Dämon die Sicht. Die Zweige der Büsche wurden vom Mondlicht angestrahlt. Es übergoß die Blätter mit einem silbernen Schein. Der leichte Nachtwind rauschte in den Kronen der Bäume, ein Hase huschte dicht an dem Fenster vorbei.
Der Dämon zog sich wieder tiefer in den Keller zurück.
Würden sie heute noch kommen? Immer wieder stellte er sich diese Frage.
Und sie kamen urplötzlich.
Der Dämon sah die Schatten der Fledermäuse vor dem Kellerfenster auftauchen. Sekundenlang huschten sie hin und her, schlugen wild mit den Flügeln.
Dann flogen sie in den Keller.
Der Dämon war bis an die rissige Wand zurückgewichen. In seinem Blick flackerte Angst.
Die Fledermäuse waren zu dritt. Sie wischten dicht am Kopf des Dämons vorbei, hatten ihre Mäuler aufgerissen und präsentierten nadelspitze Zähne.
Der Dämon wollte nach ihnen schlagen, doch er fand nicht einmal die Kraft, seine Arme zu heben.
Dicht vor ihm verwandelten sich die Fledermäuse. Es ging innerhalb von Sekunden. Die erste Fledermaus begann plötzlich zu wachsen, der Körper veränderte sich, nahm die Formen eines jungen Mädchens an. Das gleiche geschah mit dem Gesicht. Zähne und Maul verschwanden, und das Gesicht, das den Dämon plötzlich anblickte, schien von einem Bildhauer modelliert worden zu sein.
Es war unnatürlich weiß. Wie große Kohlestücke wirkten die Augen. Das Haar war pechschwarz und an beiden Seiten des Kopfes zu langen Zöpfen geflochten, die bis hinunter zur Taille hingen. Nur die Flügel waren geblieben. Sie hatten die Funktion der Arme übernommen, schlugen auf und nieder.
Vor dem Dämon stand Nora.
Sie war die Vertraute von Rebecca, der Königin der Vampire. Und sie war ihrer Herrin treu ergeben.
Der Dämon wußte, daß ihm keine Chance mehr blieb.
Auch die beiden anderen Fledermäuse hatten sich verwandelt – ebenfalls in junge Mädchen.
»Warum bist du noch nicht weg?« zischte Nora dem Dämon ins Gesicht. »Willst du unbedingt sterben? Willst du …«
»Nein, nein!« Der Dämon heulte und sank in die Knie. Flehend rang er die Hände. »Gnade, Gnade. Ich will nicht sterben. Sagt mir, was ich machen soll.«
Die drei Vampirinnen sahen sich an. Dabei zogen sie die Lippen zurück und zeigten nadelspitze Eckzähne. Sie verbreiteten einen süßlichen Geruch, der sich mit dem Hauch von Moder mischte und die Todesbotinnen umgab. An Noras Kinn befanden sich noch Blutstropfen, sie mußte vor kurzem erst ein Opfer gefunden haben.
Nora gab den beiden anderen Frauen einen Wink. Die Vampirinnen wußten, was sie zu tun hatten. Sie packten den Dämon – ihnen waren keine Flügel gewachsen, sie besaßen Hände – und zerrten ihn zum Fenster hin.
Der Dämon wehrte sich nicht. Er hoffte nur, daß sie ihn nicht töten würden. Die Warnungen seiner Brüder kamen ihm in den Sinn.
»Lauf weg!« hatten sie gesagt. Doch er hatte nicht hören wollen.
Und jetzt …
Der Dämon wurde durch das schmale Kellerfenster gepreßt. Im Gras draußen blieb er liegen. Er hielt die Augen geschlossen und wollte nichts sehen.
Deshalb bemerkte er auch nicht, daß die Frauen sich wieder in Fledermäuse verwandelten, diesmal jedoch in lebensgroße.
Der Dämon fühlte sich plötzlich angehoben und schwebte Sekunden später schon in der Luft. Die drei weiblichen Fledermäuse hielten ihn in ihren Krallen.
Hoch und immer höher stiegen sie mit ihm.
Tief unter sich sah der Dämon die Lichter von Wien funkeln. Über sich hörte er die höhnischen Stimmen der weiblichen Vampire.
»Er ist einer der letzten!«
»Noch zwei Nächte, und wir haben es geschafft!«
»Dann kann uns niemand mehr die Herrschaft streitig machen. Rebecca und wir werden siegen. Endlich!«
Die Landschaft unter dem Dämon wechselte. Die Gegend wurde waldreicher, bergiger. Sie befanden sich jetzt über dem Wienerwald.
»Los, noch höher!« rief Nora, die Anführerin.
Wie drei Pfeile stiegen die Vampirinnen mit ihrem Opfer in den samtdunklen Nachthimmel, an dem die Sterne wie kostbare Brillanten glitzerten.
Der Wind zerrte an der Kleidung des Dämons. Er
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