Auftanken, bevor die Seele streikt
unsere Probleme, grübeln Tag und Nacht, bis schließlich alles in und um uns nur noch ein Problem zu sein scheint?
In der Seelsorge hat sich eine therapeutische Frage bewährt, die auch als die sogenannte „Wunderfrage“ oder „Vermeidungsfrage“ bekannt ist. „Stellen Sie sich vor, Sie würden morgen früh aufwachen, und ein großes Wunder wäre geschehen: Ihr augenblickliches Problem wäre völlig verschwunden! Wie würden Sie sich dann verhalten?“
Auch wenn Sie sich durch diese Frage vielleicht erst recht ins Reich der Märchen und Fata Morganas versetzt fühlen, lassen Sie sich einmal darauf ein. Sie werden staunen, wie realistisch im Gegenteil diese Frage ist und wie heilsam sie sich auswirkt!
Wir wechseln wie auf eine völlig neue Umlaufbahn. Eine heilsame kreative Fantasie wird angeregt, eine Sichtweise, die schon völlig vergraben schien. Der Blick über das bestehende Problem hinaus füllt uns mit inneren Bildern, die uns aufblicken und aufatmen lassen. Die „Wunderfrage“ lässt uns einen Augenblick wohltuend stutzen, denn schließlich muss es doch darum gehen, eine
Lösung
für unser Problem zu finden, das uns permanent beschäftigt. Aber dass es auch ein konkretes Leben
nach
dem Problem gibt, verlieren wir dabei aus dem Blick. Die Antwort auf die „Wunderfrage“ macht bewusst: Ich habe schon jetzt, obwohl mein Problem noch nicht gelöst ist, viel mehr Möglichkeiten, als ich dachte. Meine Symptome verfolgen einen Zweck. Ich stecke zwar noch mitten im Problem und darf doch gleichzeitig schon wie ein Adler darüber hinwegschweben und ins Weite blicken.
Ich erinnere an Psalm 42: „Was betrübst du dich meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott;
denn ich werde ihm noch danken
, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist“ (L).
Dietrich Bonhoeffer schreibt:
Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurchfinden zu den großen Gedanken, die einen stärken
.
So sinnlos uns viele unserer Probleme auch erscheinen, es liegt an uns, ob wir uns dauerhaft in der Rolle des wehrlosen Opfers einrichten oder aber ganz neue Sinnperspektiven entdecken lernen.
Viktor Frankl, der berühmte Wiener Arzt und Begründer der Logotherapie, der schon unzähligen Menschen Mut zum Leben machte, stand selbst am Abgrund von Tod und Sinnlosigkeit. Von den Nazis ins KZ deportiert, verlor er dort auf grausame Weise seine ganze Familie! Ein entsetzliches Leid, auf das es keine „wundersamen“ Antworten gibt.
Doch mitten im Elend ist Frankl Zeuge der „Trotzmacht“ des menschlichen Geistes! Noch unter demütigender Zwangsarbeit, entsetzlichen Repressalien und Entbehrungen aller Art leidend, stellte er sich gedanklich vor, er befände sich in einem großen, wohlig-warmen Raum. Eine große Hörerschaft säße dort vor ihm, in friedlicher Atmosphäre gespannt zuhörend, wie Frankl ganz genau erklärt, was er
jetzt gerade
in diesem Augenblick an entsetzlichen Leiden und Demütigungen erduldet. Dieser Blick auf eine – in jenem Augenblick eigentlich völlig undenkbare – Zeit jenseits des gegenwärtigen Elends weckte in ihm Sinn, Hoffnung und eine Kraft für den Augenblick, die ein Starren auf das Problem nie möglich gemacht hätte!
Visualisieren auch Sie in Ihrer Fantasie schon die Zeit jenseits Ihres Problems! Stellen Sie sich diese Zukunft möglichst konkret und bildhaft vor. Danken Sie Gott schon jetzt für die Lösung, die es wirklich gibt, auch wenn Sie diese vielleicht noch nicht sehen.
Auch wenn wir, Gott sei Dank, in aller Regel nicht den extremen Lebenssituationen eines Viktor Frankl ausgesetzt sind, kennen wir dennoch den endlos erscheinenden Kreislauf von Sinnlosigkeit, Schaffenslähmung, Demotivation, Minderwertigkeitsgefühlen, Mangel an Erfolgserlebnissen und wiederum Sinn- und Ziellosigkeit …
Gerade jetzt gilt: Haben Sie Mut zu träumen! Der bekannte Theologe Helmut Thielicke schreibt:
Jede schöpferische Leidenschaft in unserem Leben lebt von der Fähigkeit, träumen zu können
.
Träume und sinnvolle, mutige Ziele motivieren, bauen auf und stärken die Seele.
Haben Sie Mut zu träumen!
Was wäre die Welt ohne die Träume der Männer und Frauen, die noch mitten in ihren ungelösten Problemen steckten und bereits in leuchtenden Visionen Zukünftiges geschaut und mutige Schritte zur Verwirklichung unternommen haben? Mit ihrem inneren Weitblick waren sie ihrer Zeit meilenweit voraus!
Der große Pioniermissionar Ludwig Nommensen, der auf
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