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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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und schlurfte zum Besenschrank ... Es war noch alles da: Zehner, Zwanziger, Fünfer, der Zaster, den ich jedesmal da abgeladen hatte auf dem Weg vom Spieltisch zum Klo. Und allmählich erinnerte ich mich, daß ich wegen des ZASTERS die Schlägerei angefangen hatte. Ich sammelte die Piepen ein, steckte sie in die Brieftasche, legte meinen Pappkoffer auf das schiefe Bett und begann meine paar lumpigen Sachen einzupacken: Arbeitshemden, steinharte Schuhe mit Löchern in den Sohlen, steife, dreckverkrustete Socken, zermanschte Hosen, das Manuskript einer Geschichte darüber, wie ich mir mal im San Francisco Opera House die Krätze geholt hatte, ein zerfleddertes Thrifty Drugstore Wörterbuch — »Palingenesis: recapitulation of ancestral stages in life -history.« Die Uhr funktionierte noch, der alte Wecker, Gott sei's gescheppert, wie oft hatte ich total verkatert morgens um halb acht darauf geschaut und gesagt, scheiß auf den Job, SCHEISS AUF DEN JOB ! Naja, jetzt war es 4 Uhr morgens ... Ich war gerade dabei, den Wecker zu verstauen, als es — klarer Fall, was? an die Tür klopfte.
»Yeah?«
»Mr. Bukowski?«
»Yeah. YEAH ?«
»Ich möchte gern reinkommen und das Bettzeug wechseln.« »Nee, nich heut. Ich bin heut krank . . .«
»Oh, das tut mir leid. Aber lassen Sie mich doch schnell rein und das Bettzeug wechseln, ich geh ja gleich wieder.« »Nenee, ich sag doch, ich bin krank, ich bin einfach zu krank, verstehn Sie? Ich möcht nicht, daß Sie mich so sehn . . .« Und so ging es weiter. Sie wollte das Bettzeug wechseln. Ich sagte nein. Sie sagte, ich will das Bettzeug wechseln. Ich sagte, verdammtnochmal NEIN . Und so weiter, in einer Tour. Diese Zimmerwirtin, übrigens. Was für ein Körper. Nichts als Körper. Alles an ihr schien zu schreien KÖRPER KÖRPER KÖRPER . Ich hatte erst 2 Wochen da gewohnt. Im Erdgeschoß war eine Bar. Wenn Leute hochkamen, die mich sehen wollten und ich war nicht da, sagte sie einfach, »Er ist unten in der Bar. Er ist ständig unten in der Bar . . .«, und die Leute sagten zu mir »Mann Gottes, wer ist deine Wirtin . . . Fantastisch!« Aber dieser enorme weiße Koffer stand auf Filipinos. Diese Filipinos, Mann, die kannten Tricks, von denen würde sich ein Weißer nie träumen lassen, nicht mal ich. Und diese Flips gibts längst nicht mehr, mit ihren tief in die Stirn hereingezogenen breitrandigen George-Raft-Hüten und ihren wattierten Schultern; weiße Schuhe mit hohen Absätzen, fettige, heimtückische Visagen — was ist aus denen geworden?
Na, ist ja egal. Jedenfalls, es war nichts mehr zu trinken da und ich saß stundenlang herum und wurde langsam fickrig. Abgelaufen. Abgeschlafft. Lapprig in den Eiern. Da saß ich mit meinem 450-Dollar-Gewinn und konnte mir nicht mal ein abgestandenes Helles kaufen. Ich saß und wartete auf das große Dunkelwerden. Dunkel, nicht Tod. Ich wollte raus. Noch eine Chance. Schließlich hatte ich meine Nerven soweit, daß ich es riskieren konnte. Ich machte die Tür ein Stück auf, ließ aber die Kette dran, und da war einer, ein kleiner affengesichtiger Flip mit 'nem Hammer. Als ich die Tür aufmachte, hob er den Hammer und griente. Als ich anfing, die Tür wieder zu schließen, nahm er die Spangen aus seiner Fresse und tat so, als ob er sie in den Teppich hämmern wollte, der vom Flur hinunter ins Erdgeschoß führte — und zum einzigen Ausgang. Ich weiß nicht mehr, wie lang das so ging. Immer die gleiche Pantomime. Ich mach die Tür auf, er hebt seinen Hammer und grient. Beschissener Affenarsch! Er blieb einfach wie angewachsen auf der obersten Treppenstufe. Ich fing an durchzudrehen. Ich fing an zu schwitzen und zu stinken. Kleine Lichtwirbel blitzten auf und kreisten in meinem Schädel. Ich hatte wirklich das Gefühl, daß ich dabei war, den Überblick zu verlieren. Ich ging rüber zum Bett und griff mir meinen Koffer. Er war leicht zu tragen. Nichts als ein paar Lumpen drin. Und dann fiel mein Blick auf die Schreibmaschine. Ich hatte sie mal von der Frau eines ehemaligen Freundes ausgeliehen, aber nie wieder zurückgegeben. Sie fühlte sich gut und solide an, wie sich eben Stahl so anfühlt: grau, flach, schwer, gefährlich, banal. Meine Augen wanderten an meinen Hinterkopf und sahen, daß die Kette an der Tür weg war, und mit dem Koffer in der einen Hand und der Schreibmaschine in der anderen rannte ich in die Maschinengewehrsalven, in die Strahlen der aufgehenden Sonne, das Splittern der Corn flakes, das Ende von allem.
» HEY ! Wo

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